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werden [ 39 ]. Vektoren können einerseits belebt (z. B. blutsaugende Insekten), ande-
rerseits unbelebt sein. Kontaminierte Lebensmittel und Wasser gehören zu den wich-
tigsten unbelebten Vektoren. Neben Lebensmitteln können aber auch kontaminierte
Gegenstände oder der Kontakt mit Kontaminationsquellen in der Umwelt Auslöser
von Krankheitsfällen sein. Weltweit sind mehr als 1400 krankheitsverursachende
biologische Agentien bekannt, von denen über 60 % ein zoonotisches Potenzial auf-
weisen. Als Ergebnis von Expertengesprächen wurde kürzlich berichtet, dass etwa 3
bis 4, meist virale, neu auftretende Infektionskrankheiten („emerging diseases“) pro
Jahr erwartet werden können [ 15 ]. Es handelt sich bei diesen Vorgängen aber nicht
nur um das Auftauchen vollkommen neuer oder unbeschriebener Spezies, sondern
auch um evolutionsbedingte Anpassungen von mikrobiellen Populationen an neue
Bedingungen in ihrem Ökosystem [ 7 ]. Molekulare Analysen an Umweltchlamydien
erbrachten Hinweise, dass die Evolution erste genetische Pathogenitätsmerkmale in
dieser Spezies schon vor 700 Mio. Jahren entstehen ließ [ 14 ]. Viele Faktoren befeu-
ern den Prozess der Anpassung, unter anderem auch alle Strategien, mit denen der
Mensch seit Jahrtausenden versucht, Lebensmittel sicher und haltbar zu machen.
Als die treibenden Kräfte des Auftretens neuer Krankheitserreger werden in der
Gegenwart vor allem das sich ändernde Weltklima, die globalen Warenströme und
die sich verändernden Konsumgewohnheiten genannt. Es steht auch außer Zweifel,
dass viele dieser Erreger Tiere als ihr natürliches Reservoir haben werden, d. h.
Zoonosen im klassischen Sinne sind [ 15 ].
7.1.1 
 Pathogene Mikroorganismen und das öffentliche 
Gesundheitswesen
Aus soziokulturellen, ökonomischen und gesundheitspolitischen Überlegungen
muss die Gewährleistung der Sicherheit von Lebensmitteln ein zentrales Anliegen
der Politik sein. Die lebensmittelerzeugende Industrie stellt eine der größten Bran-
chen in der EU dar, und ihre Unternehmer beschäftigen mehr als 2,6 Mio. Arbeit-
nehmer. Verletzungen der Lebensmittelsicherheit werden von Verbrauchern als
nichttolerierbares Risiko aufgefasst und führen in der Regel zu einem massiven
Vertrauensschwund. Das Vertrauen in die Sicherheit der Lebensmittelproduktion
stellt aber den wichtigsten Faktor für eine nachhaltige und gedeihliche Entwicklung
des Agrosektors und somit der Lebensmittelerzeugung in den einzelnen Volkswirt-
schaften dar. Der öffentliche Sektor ist bezüglich lebensmittelassoziierter Krank-
heitsgeschehen vor allem mit den Folgen wie Krisenmanagementkosten, Produk-
tivitätsausfällen und, in schlimmsten Fällen, mit Belastungen des medizinischen
Versorgungssystems konfrontiert. Die Sensibilität des Konsumenten bezogen auf
das Thema „sichere Lebensmittel“ ist auch ein Ergebnis der enormen soziokultu-
rellen Bedeutung, die die Lebensmittelproduktion in vielen Ländern Europas und
der Welt besitzt. Lebensmittelkonsum ist in den vergangenen Jahren ein Element
des individuellen Lifestyles geworden, der Kaufentscheidungen für immer außer-
gewöhnlichere Produkte und Hinwendung zu wenig tradierten Zubereitungsweisen
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