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den Shweizer Alpen wiederum erzählten die Einwohner der Ethnologin Sarah
Strauss, dass die Gletsher wie Tiere seien, die kommen und gehen, und dass der
Mensh das Abshmelzen oder Wahsen der Gletsher niht beeinlussen könne.
Eine solhe Liste lässt sih endlos fortsetzen und markiert in jedem einzelnen Beis-
piel den Kontrast zwishen dem naturwissenshatlihen Konzept von Klimawandel
und seiner kulturellen Wahrnehmung.
Der Sprung zu unseren eigenen geistigen Ahnherren ist in diesem Fall niht groß.
Für den Naturforsher Alexander von Humboldt vermishen sih in seiner
Klimadeinition die wissenshatlihen Messungen von Temperatur, Feuhtigkeit
oder barometrishem Druk mit dem Zustand unserer Organe, den Gefühlen und
unserer Seelenstimmung. In Goethes Witerungslehre ist der Betrahter vollständig
„im Klima“, dem nur eine poetishe Beshreibung gereht werden kann. Für Herder
ist das Klima ebenso eine „atmosphärishe“ Größe, die alles umfasst, „die Höhe und
Tiefe eines Erdstrihs, die Beshafenheit desselben und seiner Produkte, die Speisen
und Getränke, die der Mensh genießt, die Lebensweise, der er folgt, die Arbeit, die
er verrihtet, Kleidung, gewohnte Stellungen sogar, Vergnügen und Künste, nebst
einem Heer andrer Umstände, die in ihrer lebendigen Verbindung viel wirken; alle
sie gehören zum Gemälde des vielverändernden Klimas“. 70
An diesen Beispielen, die vom Klima als einem Netzwerk untershiedlihster
Phänomene berihten, in das wir eingelohten sind, wird die Diskrepanz zu dem,
was Wissenshat heute unter Klima versteht, deutlih: Das Klima als Statistik des
Wetters ist reduziert vor allem auf seine Veränderlihkeit, seine Dynamik,
Vorhersagbarkeit und die Abhängigkeit von äußeren Antrieben (wie Treibhaus-
gasen, Sonnenleistung u. Ä.). Die Rhetorik der heutigen Klimadebate mit Kli-
masündern und Klimashützern zeigt aber, dass diese uantiizierung des Klimas
die kulturellen Klimametaphern niht ersetzt hat. Sie folgen ihr auf dem Fuß.
Die Kulturgeschichte des anthropogenen Klimawandels
Als die Vorstellung eines menshengemahten Klimawandels mit gefährlihen Fol-
gen Anfang der 1990er Jahre in der Öfentlihkeit Fuß fasste, wurde ot von einem
neuartigen Problem gesprohen. Doh die Idee, dass der Mensh seine klimatishen
Bedingungen beeinlusst oder gar „zerstört“, ist in Wirklihkeit eine alte Diskussion,
die nur vergessen wurde.
 
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