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zugsgebieten angrenzender Räume. In den asiatischen und südame-
rikanischen Wüsten wurzeln solche Fremdlingsflüsse häufig an
Gletschern. Allochthone Flüsse sind somit keine integralen Teile des
klimatischen Wüstensystems, sondern bewirken als externe Faktoren
höherwertige Lebensraumqualitäten in wüstenhaft-lebensfeindlicher
Umgebung, sodass hier bedeutsame kulturelle Entfaltungen möglich
sind. Als Prototyp eines bis heute kulturträchtigen Fremdlingsflusses
gilt der Nil. Hochstehende Zivilisationen waren zu unterschiedlichen
Zeiten ebenfalls beispielhaft an Euphrat und Tigris, an den andinen
Flüssen der peruanischen und chilenischen Atacama oder an inner-
asiatischen Wüstenflüssen entwickelt.
3.4.1 Wüstenränder/Wüstenrandgebiete
Die Ränder von Ökozonen sind relativ labil - vergleicht man sie mit
den Kernzonen. Dies gilt insbesondere für die Wüstenränder, da hier
die ohnehin niedrigen Niederschlagsmittel sehr stark variieren. Das
trifft sowohl für die zeitliche und räumliche Verteilung zu, wie auch
für die Menge und die lokale/regionale Intensität. Der Grad der Varia-
bilität wächst mit der Abnahme des durchschnittlichen jährlichen
Niederschlags.
Wüstenränder als Übergangssäume (Ökotone) zwischen Savan-
nen- oder Steppenökosystemen sind ökologisch wie ökonomisch und
sozial äußerst sensitiv (Bubenzer 2010). Sie sind weitaus schlechter
gepuffert als Übergangsbereiche zwischen deutlich feuchteren Vege-
tationsformationen (z. B. Borealer Nadelwald/Steppe; Regenwald/
Feuchtsavanne).
Entsprechend vulnerabel sind menschliche Gesellschaften, die in/
an Wüstenrändern leben. Sie sind einem hohen Dürrerisiko ausge-
setzt, bei insgesamt schwacher Wirtschaftsleistung. Hoher Bevölke-
rungszuwachs (trotz höchster Kindersterblichkeit) und damit ver-
bundene Überstrapazierung der physiologischen Tragfähigkeit führen
häufig zu irreversibler Desertifikation oder gravierender Degradierung
der Landschaft - ihr Ertragspotenzial in der Weidewirtschaft oder im
Feldbau geht ständig zurück (Kap. 4.8). In Anbetracht dieser bedroh-
lichen Entwicklung speziell in den Wüstenrandbereichen haben die
UN im Jahr 2010 die „Dekade der Wüsten und zur Bekämpfung der
Wüstenausbreitung“ ausgerufen.
Manche der heutigen Wüsten spielen eine unerwartete Rolle in
der Kulturentwicklung - Sahara und Atacama werden in diesem
Kontext näher beschrieben (Kap. 3.4.2; 12.1.3; 3.4.4). Eitel (2008,
2007) hat in grundlegenden Abrissen die kulturgeschichtliche Be-
deutung von Wüstenrandgebieten beleuchtet. Der nachfolgende Text
greift einige seiner Gesichtspunkte auf: Zwar werden 60 % der Ka-
tastrophentoten in Trockengebieten gezählt, umso erstaunlicher ist,
dass die ältesten festen Siedlungen in semi-ariden Gebieten zu finden
sind. So fand der Prozess der Sesshaftwerdung (Ackerbau, Bewäs-
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