Travel Reference
In-Depth Information
FIEBER
Kirgisistan bis China
DIE SCHÖNSTE LANDSCHAFT DER WELT / 25. JUNI / BEI KLYUCHEVKA
Hansen
So heftig hat mich eine Landschaft noch nie berührt. Noch nie … Ich könnte heulen, so
sehr geht mir dieser Anblick unter die Haut. Vor mir ein ruhiger, tiefblauer langgestreck-
ter See, von sanften sandfarbenen Hügeln umschlossen, dahinter türmt sich am Horizont
in vielfältiger Schichtung ein gewaltiges Bergmassiv auf. Glasklar sind die bewaldeten
Ebenen zu erkennen, an deren Rändern das Grün sich mit dem Grau des Gesteins ver-
franst. Und auf den höchsten Plateaus liegt der ewige Schnee in eisigen Höhen. Es
herrscht absolute Stille, die Abendluft streicht in Böen über den See und weht sanft um
meine Beine, die sich von der Anstrengung langsam abkühlen.
»Hansen?« Paul muss mich schon mehrere Male gerufen haben, aber ich bin derma-
ßen in die unendliche Schönheit dieses perfekten Moments versunken, dass ich ihn nicht
hören konnte. »Hansen … weinst du?«, fragt Paul vorsichtig. Jetzt erst merke ich, dass
mir tatsächlich die Tränen aus den Augen geschossen sind. Ich bin einfach total überwäl-
tigt. Wie lange habe ich auf einen solchen Augenblick gewartet, in dem mir die Natur auf
ihre wortlose Art sagt, wofür sich all diese Entbehrungen, all dieses Abgestrampele loh-
nen.
»Paul, ich bin so unendlich glücklich.« Ich schaue meinen Bruder an. »Das hier ist für
mich die beste Entschädigung für all die Tage mit Gegenwind, Staub, Hitze und endlosen
Geraden. Das ist der Moment, für den ich das alles gemacht habe …«
Paul folgt meinem Blick in die Berge »Ich weiß, wovon du sprichst.«
»An diesem Land kann ich mich nicht sattsehen, diese Berge sind anders als die Alpen,
anders als alles, was ich bisher gesehen habe.« Ich setze mich zu Paul, der damit beschäf-
tigt ist, einen der sechs Fische auszunehmen, den uns ein paar liebe Opas heute hinter der
Grenze geschenkt haben.
Search WWH ::




Custom Search