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Ich weiß, dass ich Ähnliches über Kasachstan gesagt habe, aber Kirgisistan ist meine
neue Liebe. Der Tag heute war so perfekt. Angefangen mit Nurliks Eskorte zur kirgisi-
schen Grenze, dem Englisch sprechenden Grenzbeamten Alex - »You can call me Alex. When
I'm drunk - I am sexy Alex!« … - und vor allem der vielfältigen Landschaft, die sich uns di-
rekt nach der Grenze zeigt. Flüsse, Seen, Berge - alles, was uns gefehlt hatte. Halb be-
nommen von unserem Kater, halb von der Pracht der Aussicht, waren wir überhaupt
nicht auf das gefasst, was noch kommen sollte. Ein gigantischer Staudamm kurz hinter
dem Dörfchen Pokrovka, ein bizarres Gebilde, das mich irgendwie an die Pyramiden von
Gizeh erinnerte, was vor allem daran lag, dass uns von der anderen Seite ein gigantischer
in Stein gemeißelter Leninkopf entgegenblickte. Stalin, Lenin, Sphinx, Cheops, irgend-
wie so …
Dahinter ein riesiger tiefblauer und glasklarer Stausee. Uns schien das schon der per-
fekte Zeltplatz zu sein, doch dann wurden wir von einer kirgisischen Hochzeitsgesell-
schaft zum Wodkatrinken eingeladen, oder vielmehr »gezwungen«. Die Leute haben
uns unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass sie es als eine persönliche Beleidi-
gung auffassen würden, wenn wir nicht zumindest ein Bier und einen Wodka mit ihnen
trinken würden. Überraschenderweise haben sie uns danach tatsächlich unserer Wege
ziehen lassen, natürlich nicht ohne ein enormes Gruppenfoto! Und kaum hatten wir die
nächste Kurve hinter uns gebracht, wieder eine kleine Menschengruppe, die uns zum
Anhalten brachte. Die lieben Väterchen, die uns die Fische zeigen wollten, die sie heute
gefangen hatten, und uns schließlich ihren gesamten Fang - keine Widerrede! - ge-
schenkt haben. Nach festen Umarmungen und schmatzenden Küsschen auf die Backe ha-
ben sie uns weiterziehen lassen … und hier sind wir nun. An diesem unwirklich schö-
nen Ort. Mag sein, dass der Wodka von vorhin meine Tränenproduktion ein kleines
bisschen angekurbelt hat - aber sei's drum. All das ist echt. Alles um mich herum ist
wirklich da.
Die kommenden Tage sind vom so anstrengenden wie abwechslungsreichen Berg- und
Talfahren geprägt. 40 Kilometer Serpentinen mit fast durchgehend fünf Prozent Steigung
haben wir gestern geschafft. 2000 Höhenmeter in fünf Stunden! Es war das allererste
Mal, dass wir in richtige Berge gekommen sind. Die Landschaft wechselte von saftigen
Wiesen, geschwungenen Hügeln und langgezogenen Bergdörfern zu kargem, felsigem
Gebirge mit schneebedeckten Gipfeln. Unsere Lungen schmerzten von dem eisigen
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