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Mit dem voll bepackten Rad presche ich in den Fluss, der leider nicht ganz so seicht ist
wie gedacht. Trotzdem fahre ich mit letzter Kraft eisern strampelnd bis zur anderen Seite
durch und tauche dabei bis über die Radachse in den Fluss ein. Ein bisschen erinnert
mich das Ganze an einen Reiter, der durch das Wasser galoppiert, nur dass das Pferd das
ein bisschen eleganter hinbekäme als ich.
Es ist Nacht. Die Silhouetten der Bäume biegen sich im Sturm, und die Wolken ziehen
schnell an der schlanken Mondsichel vorbei. Wir sitzen vor dem Zelt, den Sand unter
den Füßen, und Pauls Gesicht ist im schwachen Licht seiner Stirnlampe zu sehen. Wir
haben gegessen und genießen das Rauschen und die durch den Wind mückenfreie
Nacht. Die nächsten Tage verbringen wir mit kleineren Reparaturen. Wir flicken Pauls
Lenkerband und spannen die Kette nach, außerdem basteln wir ein paar Dinge: einen
Ständer fürs Rad, Stühle für unsere »Küche« und einen Windschutz für den Kocher. Wir
spielen Tic Tac Toe im Sand mit einem Cowboy, dessen Kuhherde uns in alter Gewohn-
heit auf ihrem Weg zum Fluss fast überrannt hätte. Er hat keinen Ton gesagt, aber als
Dankeschön für den angebotenen Tee ein Stück Bauchspeck in einer versifften Plastiktüte
aus der Jackentasche gezaubert. Wir fangen Heuschrecken zum Angeln von Barschen.
Die Barsche bleiben allerdings unbeeindruckt von unseren Versuchen, stattdessen fällt
ein junger unerfahrener Hecht auf unseren Trick herein. Wir grillen Brot und den Hecht
am Lagerfeuer und rufen von einem nahe gelegenen Hügel aus, auf dem wir Empfang
haben, unsere Schwester Lilli an, sie hatte Geburtstag. Es ist schön, ihre Stimme zu hö-
ren. Sie fehlt mir gerade sehr!
Drei Tage später, am 27. Mai, fahren wir weiter. Meine Erkältung ist immer noch nicht
vollkommen abgeklungen, und wir planen, uns nach einem kurzen Einkauf in einem
kleinen Dorf ein Stückchen weiter am Fluss niederzulassen und noch zwei Tage Pause
dranzuhängen. Erst mal richtig gesund werden. Ein schüchterner und netter kasachischer
Cowboy mit stechend blauen Augen zeigt uns eine traumhafte Stelle am Fluss, wo man
angeln, baden und im Schatten zelten kann. Zurzeit können wir uns solche Pausen gön-
nen, später wird das nicht mehr so einfach sein.
Mitten in der Nacht wache ich auf. Im ersten Moment weiß ich gar nicht warum, es
ist still, und auch Paul schnarcht ausnahmsweise nicht. Dann bemerke ich, dass meine
Beine, meine Arme und mein Gesicht brennen, als wäre ich nackt durch ein Nesselfeld
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