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Jetzt das Schnauben eines Pferdes. »Reiter? Mitten in der Nacht? Was wollen die von
uns?« Bevor ich den Satz zu Ende geflüstert habe, galoppieren sie davon. Das Zischeln
war wohl der Schweif eines Pferdes - was für eine Erleichterung.
Am nächsten Tag sehen wir um unser Zelt Spuren von mehreren Pferden und etwa in
hundert Meter Entfernung stehen sie. Es war einfach nur eine wilde Herde, kein Reiter,
kein Horseboy weit und breit.
Wir machen uns auf den Weg, essen lecker und günstig an einem Truckerimbiss Pi-
roggen, Eier und Gulasch und bekommen zwei Aldi-Salamis von einem sehr kurz ange-
bundenen, aber herzensguten russischen Lkw-Fahrer geschenkt. »Jährlich DLG prämi-
ert«, lacht Paul, als er die Wurst begutachtet. Wir sind guter Dinge und kommen trotz
Gegenwind recht zügig voran.
Mittags halten wir noch einmal an einem Straßenrestaurant, um nach Wasser zu fra-
gen, und treffen dort Ruslan mit seinem Sohn Arslan, der uns stolz einen etwa 50 Zenti-
meter langen Hecht präsentiert, den er gefangen hat. Zuerst schlägt er vor, ihn für uns
zu kochen. Etwas überrumpelt von dem netten Angebot, lehnen wir aber dummerweise
ab, im Nachhinein hätten wir der kleinen Familie gerne Gesellschaft geleistet. Auch als
er uns anbietet, dass wir seinen Fisch geschenkt haben und mitnehmen können, lehnen
wir wieder ab: Wenn wir den bis abends mit uns mitschleppen, wird er in der sengen-
den Hitze vermutlich verderben. Wir belassen es also beim Austausch von E-Mail-Adres-
sen und machen ein paar Fotos, um dann aufzubrechen.
Ich habe mich ziemlich erkältet, und die tägliche Tour wird zur Tortur, ich bin ein-
fach total schlapp. Wir quälen uns von Kobda nach Aktöbe und beschließen, hinter Ak-
töbe ein paar Tage Pause zu machen, um uns komplett zu erholen. Für die knapp zwölf
Kilometer bis zu dem Fluss, den wir uns für unseren Kurzurlaub ausgesucht haben,
brauchen wir eine kleine Ewigkeit. Orkanartiger Gegenwind macht uns zu schaffen, und
die Fahrräder sind schwer beladen mit unseren Einkäufen aus Aktöbe: Karotten, Tee,
Nudeln, Tomaten, Kekse, Brot, Butter, Zitronen, Äpfel und dazu 35 Liter Wasser.
Als wir endlich am Fluss ankommen, haben wir eine der bisher schönsten Stellen auf
unserer Tour gefunden. Vor meinen müden Augen schlängelt sich ein kleines, klares
Bächlein durch ein kiesiges Flussbett, gesäumt von Sanddünen, weiten, sanft geschwun-
genen Grashügeln und Weidenbüschen. Bleibt nur noch die Querung, denn die ausge-
guckte Stelle unter einer Pappel mit Schattenplatz im weichen Sand liegt auf der anderen
Seite. Wir finden eine Stelle, an der der Fluss seicht ist, und ich nehme kräftig Anlauf.
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