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alles vorbei ist? Ich beobachte ihn, während er vor mir fährt, mein Blick klebt an seinem
Nacken, dort, wo ihn Sasch gestern immer wieder hart angepackt hat.
Das Schlimmste war, hilflos zusehen zu müssen. Was, wenn die wirklich ernst ge-
macht hätten? Mich durchzuckt es. Das schlimmste Gefühl, das ich kenne, ist die Vorstel-
lung, Paul passiert etwas, und ich kann ihm nicht zu Hilfe kommen. Aaarrgh, ich darf an
so etwas nicht denken, mir wird schlecht, ich darf ihn nicht mal anschauen für die
nächsten Minuten, sonst kommen mir die Tränen. Um mich davor zu retten, setze ich
zum Überholen an. Als ich gerade auf gleicher Höhe mit ihm bin, hält mich Paul am T -
Shirt fest. »Was ist los, Hansen?«
Was los ist? Hat der etwa Augen im Hinterkopf, wie soll er wissen, das etwas mit mir
ist? »Ich bin so froh, dass dir nichts passiert ist, Paul!«, platzt es aus mir heraus, und mir
verschwimmt der Blick.
»Ich auch Hansen … ich weiß genau, was du meinst.« Natürlich weiß er das. »Wir
fahren weiter, oder?« Paul schaut mich an.
»Klar, fahren wir weiter. Das kann doch keinen echten Seemann umhauen«, witzele
ich, um mich aus meiner sentimentalen Stimmung herauszuwinden. »Und wenn wir
weit genug gefahren sind, genehmigen wir uns eine kleine Pause und bringen die Ka-
merastative und den ganzen Krempel wieder in Ordnung.«
Gesagt, getan. Wir suchen uns ein sandfreies Nachtlager, um die Räder durchzuche-
cken und alles auf Vordermann zu bringen. Das ist neben dem Radfahren das, was mich
am meisten beruhigt: mit öligen Fingern an Dingen herumschrauben.
Mitten in der Nacht schrecke ich auf. Es ist stockfinster und draußen vor dem Zelt sind
schwere Schritte zu hören und ein seltsames Zischeln, fast als würde jemand ein Seil
schwingen. Nervös zwicke ich Paul in die Schulter, unser Zeichen für »Aufwachen, aber
Mund halten«. Ich kann nichts sehen, weiß aber, dass Paul wach ist, weil sich sein vor-
her so regelmäßiges Atmen in angespannte Stille verwandelt hat.
Wir lauschen atemlos und warten ab. Die Schritte bewegen sich um das Zelt herum.
Es sind mehrere. Seit Algabas sind wir besonders vorsichtig geworden - wir liegen von
Bäumen geschützt circa 200 Meter abseits der Straße, um uns vor Überfällen zu schüt-
zen. Falls uns doch jemand gefunden hat, sind wir ihm allerdings komplett ausgeliefert,
hier kann uns keiner helfen oder sehen. Dann plötzlich ein Geräusch wie ein Furz - zu
laut allerdings, kein Mensch furzt derart laut. Paul kichert, ich halte ihm den Mund zu.
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