Travel Reference
In-Depth Information
die Preise in den Bars noch scheißegal und jetzt ein Riesenkrampf wegen vielleicht 20
Euro Taxigeld. Er läuft 200 Meter vor mir her und dreht sich nicht mal um, um zu gu-
cken, wo ich bleibe. Ich bin zu betrunken für den Terror und ich laufe so langsam, wie
ich will, er geht mir eh schon den ganzen Tag auf die Nerven. Ein paar Kilometer weiter
kann ich Hansen nicht mehr sehen. Zum Glück habe ich mir die Ecke gemerkt, an der
man abbiegen muss, um zum Hostel zu kommen. Als ich endlich da bin und die Klingel
drücken will, fällt mir in meinem wattigen Schädel ein, dass die Leute im Hostel vorhin
sagten, dass die Klingel ab 23 Uhr abgestellt wird, damit nicht alle geweckt werden. Na
toll, und Hansen hat natürlich den Schlüssel. Ich rufe Hansen an, das Telefon springt so-
fort auf die Mailbox um. Ich rufe noch mal an, dasselbe. Bestimmt eine Stunde lang sitze
ich auf den Stufen vorm Hostel und fühle, wie ich mit zunehmender Kälte nüchterner
und weinerlicher werde. Auch wenn ich schon weiß, dass immer dasselbe passiert,
wenn ich Hansens russische Nummer wähle, rufe ich bestimmt noch 10 oder 20 Mal an.
Irgendwann tutet es, ein verschlafender Hansen meldet sich am anderen Ende der Lei-
tung. »Paul, sorry …«
»Hast du 'n Dachschaden dein Handy auszuschalten?«
»Hab ich gar nicht … es war leer, und ich hab's eben erst …«
»Komm sofort runter und mach mir auf!«
Natürlich schaffen wir es auch am nächsten Tag nicht, um sechs Uhr loszufahren, aber
immerhin sind wir gegen neun auf dem Weg aus Moskau raus. Die Vororte ziehen sich
endlos hin. Und immer, wenn es laut Karte zu Ende sein sollte, kommt noch ein weite-
res Neubaugebiet - jedes in einem anderen, seltsamen Stil. Krass bunt ist das, wahr-
scheinlich macht es sich hier die neue Mittelschicht bequem. Das Verrückte ist, dass
nicht mal Google Maps bei der Entwicklung mitzukommen scheint. Man kann sich auf
überhaupt keine Routenbeschreibung verlassen. Bestimmt fünf Mal führt uns der Weg
zu einer eingezäunten Siedlung, bei der es ohne Anwohnergenehmigung kein Durch-
kommen gibt. Die Leute, die sich an diesem Ort einzäunen, sind uns Radvagabunden ge-
genüber skeptisch, und kein Pförtner lässt uns durch. Wir müssen einen Umweg nach
dem anderen machen.
Am Ende wollen wir über einen Feldweg abkürzen und bleiben im tiefen Schlamm
stecken. Zu allem Überfluss weht uns ein eisiger, kräftiger Wind entgegen, sodass wir ir-
gendwann beschließen, für heute abzubrechen und einen Nachtplatz zu suchen. Der
Search WWH ::




Custom Search