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Butter, außerdem etwas Käse mit Ketchup und ein Karamelleis. Ein kurzes Nickerchen
nach diesem Fest- und Versöhnungsschmaus und weiter geht es Richtung Olsztyn.
Als ich in einer kleinen Einbuchtung wieder zurück auf die Straße fahre und die Navi-
gation auf meinem am Lenker befestigten Handy aktivieren will, schreit Paul auf einmal
hinter mir: »Aaaachtung!« Ich drehe mich rasch um und fahre zur Seite, in der Annah-
me, dass sich ein Fahrzeug von hinten auf mich zu bewegt. In diesem Moment schießt
mir ein Lkw keine 30 Zentimeter entfernt auf meiner Fahrbahn entgegen. Ich falle bei-
nahe vom Rad. Damit hatte ich nicht gerechnet! Gerade eben war meine Straßenseite
doch noch frei. Der Lkw fuhr wohl hinter einem anderen Laster auf der Gegenfahrbahn
und hat in den wenigen Sekunden, in denen ich auf mein Handy geschaut habe, zum
Überholen angesetzt. Mein Herz rast. »Verdammt, wenn ich dich nicht gewarnt hätte,
wärst du jetzt Matsch!«, schreit Paul mich wütend an und fügt dann etwas ruhiger hin-
zu: »Wir müssen uns klarmachen, dass wir als Fahrradfahrer hier keinerlei Rechte ha-
ben, es interessiert die schlicht nicht, ob du Vorfahrt hast.« Immer noch vor Schreck zit-
ternd, fahre ich langsam weiter. »Wir müssen noch viel vorsichtiger werden, wenn wir
heil ankommen wollen«, höre ich Paul hinter mir sagen. »Der überholende Gegenver-
kehr ist mindestens so gefährlich wie die Autos, die von hinten kommen.«
Wir beschließen, uns ab jetzt bei Gegenverkehr immer mit dem Ruf »Vorne!« zu
warnen. Es wird noch einige Situationen geben, in denen uns diese Maßnahme die Haut
rettet.
Der nächste Tag verläuft super. Der erste Tag nach einer Versöhnung ist immer der bes-
te, schließlich wissen wir: Der nächste Streit wird nicht lange auf sich warten lassen! Wir
haben 125 Kilometer hinter uns gebracht - den Wind im Rücken, die Sonne im Gesicht.
Ein perfekter Reisetag gefolgt von einer traum- und harmlosen Nacht.
Der Tag begann mit der üblichen Morgenprozedur: gegen fünf Uhr, wenn die Sonne
aufgeht, aufstehen, alle Klamotten zusammenraffen, die Isomatten aus dem Zelt schie-
ben, splitternackt aus dem Zelt kriechen und sich auf der Isomatte stehend anziehen. So
funktioniert es, wenn man keinen Fuß auf den feuchten, eiskalten Boden setzen will,
denn in dieser Nacht hat es gefroren, und das Zelt ist zu klein und zu niedrig, um sich
darin anzuziehen. Weil es so kalt ist, muss man beim Anziehen superschnell sein, meis-
tens zittere ich so, dass ich die Beine kaum in die Radlerhose bekomme, es folgen die
Nylon-Beinstulpen, die lange Unterhose, wenn es richtig kalt ist, Socken und sogar
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