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»Okay, das müssen wir für meinen Geschmack nicht noch mal versuchen«, sagt Paul,
und ich witzele: »Wir stinken wie die Iltisse! Der arme Mann hat keine Luft mehr be-
kommen!«
Und das Ende der Geschichte: Wir haben uns in ein eiskaltes Bächlein gewagt und
sind bewaffnet mit ein bisschen Shampoo untergetaucht. Eine echte Überwindung, aber
nachher fühlten wir uns umso sauberer.
Am nächsten Tag wollen wir zumindest ein paar Kilometer weiter als die gesetzten
140 Kilometer fahren, um etwas vom gestrigen Tag wiedergutzumachen. Das Wetter
wechselt im 15-Minuten-Takt - April à la carte. Die Landschaft verändert sich langsam,
je tiefer wir Richtung Litauen fahren, desto mehr erinnert sie mich an Skandinavien:
endlose Laub- und Birkenwälder auf Sandboden, vereinzelte Seen und lange, gerade Stra-
ßen, die an kleinen Siedlungen und Bauernhöfen vorbeiführen.
Paul und ich haben unseren ersten richtigen Streit hinter uns. Irgendwann heute Mor-
gen, wahrscheinlich während einer kurzen warmen Sonnenphase, hat er seine Fleeceja-
cke verloren - wie kann man nur so fahrlässig sein? Zugegeben, ich habe vielleicht et-
was überreagiert, aber wie kann man nach nur einer Woche Tour ein derart wichtiges
Kleidungsstück verlieren? Mich hat vor allem genervt, wie gleichgültig Paul darauf rea-
giert hat. Als ob er sie an der nächsten Tankstelle nachkaufen könne. Kann er aber nicht!
Wir haben bis auf die letzte Sicherheitsnadel alles peinlich genau geplant und abgezählt.
Tagelang haben wir zu Hause auf der Suche nach der richtigen Jacke das Internet und
verschiedene Läden durchforstet, und dann legt er sie einfach auf seinen Gepäckträger ab
und verliert sie … Fleece weg! Nach unserer Auseinandersetzung treten wir beide wü-
tend in die Pedale. Immerhin diese Extraenergie kann man dem Streit als positiv abge-
winnen. Irgendwann tut mir Paul ein bisschen leid, das heißt, mir tut es leid, dass ich
heftiger als nötig reagiert habe. Eigentlich ist es meistens so, dass einer von uns beiden
nach kurzer Zeit die Versöhnung anbietet, egal wie heftig der Streit war. Wir können
uns zoffen, aber wir können uns auch alles schnell verzeihen …
»Blut ist dicker als Fleece, Paul«, sage ich, als ich mich auf seine Höhe habe zurück-
fallen lassen. »Lass uns erst mal was essen, okay?«
In einem kleinen Dorf legen wir auf einem Kinderspielplatz eine Pause ein. Statt Kek-
sen gibt es heute Karotten, w czekoladzie , Lachs aus der Dose mit fluffigem Weißbrot und
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