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und jemand vor die Tür tritt. Als wäre nichts passiert, nimmt die Mutter ihr Kind bei der
Hand und führt es zurück ins Haus.
Nach einem Abendessen in Guangde, bei dem der Restaurantbesitzer uns beständig in
Konversationen zu verwickeln versucht, ist die Laune am Tiefpunkt. Wir sind erschöpft,
total überanstrengt, hundemüde und müssen heute noch gut 70 Kilometer fahren, um
unseren Soll zu schaffen. Und so ist es nicht verwunderlich, dass wir zehn Kilometer
weiter einen halben Nervenzusammenbruch haben, als plötzlich die Straße gesperrt ist
und am Ufer eines Flusses endet. Keine Brücke weit und breit. Keine Schilder, keine
Umleitung, nichts. Wir sind verzweifelt. Ich nutze die Gelegenheit, den einzigen Passan-
ten weit und breit zu fragen, der aber leider nur schlechte Nachrichten hat. »Um über
den Fluss zu kommen, müsst ihr durch die Stadt«, sagt er. Was einen Umweg von knapp
30 Kilometern bedeutet.
Dann entdeckt Paul, wie eine Reihe von Lkw etwas weiter weg auf eine Querstraße
einbiegt. »Schau mal, die liefern doch jetzt nichts mehr aus, die fahren sicher eine Um-
leitung zur G318«, sagt Paul, in der Hoffnung, der Passant läge falsch. Wir fahren ihnen
hinterher, und tatsächlich kommen wir auf eine nicht eingezeichnete Straße, die einen
Umweg von nur wenigen Hundert Metern bedeutet und mit einer provisorischen
Brücke über den Fluss führt. An einem Supermarkt halten wir kurz an und kaufen uns
einen Energy Drink, um uns besser konzentrieren zu können, denn der Nebel und die
Dunkelheit machen es extrem anstrengend zu fahren. In wenigen Kilometern müssen
wir von der Hauptstraße abfahren, um einen kleineren, aber kürzeren Weg durch die
sich vor uns erhebenden Hügel zu fahren. Da dort weniger Autos fahren, ist es zwar si-
cherer, aber dafür sieht man sehr viel weniger von der Straße, und es ist enorm ermü-
dend für die Augen, nur im schwachen Licht der Stirnlampen zu fahren. Auf dem Weg
über die Hügel tauchen wir in eine unwirkliche Landschaft ein. Die nächtlichen Reister-
rassen, die Teefelder und Obstplantagen wirken im Nebeldunst wie ein Traumbild. Der
Mond spendet gerade genug Licht, dass man die Umrisse der Hügel erkennen kann. Der
schwache Schein unserer Stirnlampen scheint irgendwie verloren, wie der Scheinwerfer
eines U-Boots in endloser Tiefe. Als wir wieder auf die Landstraße zurückkommen, ver-
schlechtert sich der Straßenbelag. Ein überladener Lkw nach dem anderen donnert an
uns vorbei, und wir sind die ganze Zeit damit beschäftigt, uns gegenseitig vor Schlaglö-
chern und 20 Zentimeter tiefen Spurrillen zu warnen. Als wir nach knapp 230 Kilometer
in einem kleinen Dorf vor einem Hotel Pause machen, können wir nicht länger wider-
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