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sich über kleine Hügel, an Reisfeldern und Ställen vorbei, durch kleine Dörfer und über
einen langen Deich entlang des Qili Lake, wo wir etwas Unglaubliches beobachten. Paul
sieht es zuerst: »Wenn du das nicht selbst siehst, glaubst du es mir niemals!«, ruft er mir
zu. Ich fahre zu ihm auf und folge seinem Blick. Ein Mann steht auf einem schmalen
Boot vor einer Schleuse mit einem langen Bambusstab. Um ihn herum tauchen Kormo-
rane und jagen nach Fischen. Aber diese Vögel fressen die Fische nicht etwa selbst, son-
dern schwimmen mit ihnen im Schnabel zum Boot des Fischers zurück. Dieser hält ih-
nen den Bambusstab hin, sodass sie sich darauf setzen und zu ihm ins Boot klettern kön-
nen, wo er ihnen den Fisch abnimmt und sie nicht gerade sanft zurück ins Wasser
schleudert. Eine ziemlich effektive Methode: Schon nach kurzer Zeit ist sein kleines Boot
voller Fische. Wir stehen völlig baff da und trauen unseren Augen nicht.
Gegen Mittag erreichen wir Anqing, eine weitere riesige Stadt am Jangtse. Weil es
hier keine Fußgängerbrücke über den Fluss gibt, nehmen wir eine kleine Fähre für gera-
de mal drei Yuan. Nach einer kleinen Essenspause in Guichi geht es im Dunklen weiter
bis nach Quingyang, wo wir uns nach 225 Tageskilometern ein günstiges Hotel neh-
men. Völlig erschöpft fallen wir ins Bett, beschließen aber, am nächsten Tag wieder früh
aufzustehen und möglichst sogar 250 Kilometer zu fahren.
Am Morgen des 27. wache ich mit dem heftigsten Muskelkater meines Lebens auf,
und Paul geht es nicht anders. Auch das Wetter ist uns bei unserem vorletzten Sprinttag
keine große Hilfe: Den ganzen Morgen über regnet es, und das macht die Fahrt zur Qu-
al. Meine Muskeln sind träge. Wir flößen uns Traubenzucker, Calcium und Magnesium
ein, um keine Krämpfe zu kriegen. Mein Husten ist inzwischen ungefährlich und locker,
dröhnt dafür allerdings umso grässlicher. Wir kommen schlechter vorwärts als geplant.
Die Kilometer schleichen nur so dahin. »Dann brauchen wir eben lange. Wir ziehen die
250 heute durch«, stellt Paul klar, der zu mir aufgefahren ist. »Egal wie lange wir brau-
chen«, schlage ich ein.
So sitzen wir immer noch auf den Rädern, als es schon spät in der Nacht ist, es wird
immer nebliger, und die schlechte Sicht macht die Fahrt noch anstrengender. »Ach-
tung!«, schreit Paul plötzlich vor mir auf und macht einen irren Schlenker.
Mitten auf der Landstraße läuft ein Hundebaby, gefolgt von einem genau so kleinen
Menschenbaby, über die Straße. Im wirklich allerletzten Moment ist Paul ihnen ausgewi-
chen, um ein Haar hätte er die beiden über den Haufen gefahren. Ist denn da keiner, der
auf das Baby aufpasst? Ich drehe mich um und sehe, wie in einem Haus das Licht angeht
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