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oben wollten, werden wir nie erfahren, aber sie waren sehr geheimnistuerisch unter-
wegs.
Ein Gewitter zieht in der Nacht über uns hinweg, und bis in die frühen Morgenstun-
den tobt ein heftiger Sturm. Hansen steht mitten in der Nacht auf und flickt eine undicht
gewordene Naht unseres Zeltes mit dem Ersatz zu Unterboden. Am nächsten Morgen ist
alles vorbei. Der Wald ist deutlich mitgenommen, große Äste und Blätter liegen überall
auf dem Boden, bei einigen Tannen sind die Wipfel abgeknickt. Wir kochen Reis zum
Frühstück und fahren los: »Auf zu unserem viertletzten Pass«, feuere ich Hansen an.
»Und nicht irgendeiner, das ist der letzte mit einer Gesamtsteigung von über
1300 Meter«, teilt Hansen mir mit, während er auf die Karte guckt.
Mit Rückenwind und Sonnenschein machen wir uns auf den Weg. Ich bin überrascht,
wie fit wir sind. Mit nur einer kleinen Pause strampeln wir 1300 Höhenmeter mit teil-
weise über zehn Prozent Steigung den Berg hinauf, in nur zweieinhalb Stunden. Oben
angekommen habe ich zum ersten Mal ein seltsames Gefühl. »Weißt du was, Hansen?
Momente wie diesen werden wir nun häufiger erleben. Momente, in denen wir feststel-
len, dass es das letzte Mal auf dieser Tour ist, dass wir etwas erleben.
Heute haben wir den letzten Anstieg über 1300 Meter gemeistert, ab jetzt werden die
Steigungen kleiner.« Es ist befreiend, verdeutlicht aber auch, dass das Ende naht. Shang-
hai wird immer wahrscheinlicher, unsere monatelange Vorbereitung immer lohnender.
»Shanghai ist zum Greifen nahe«, spreche ich es aus. »Wer hätte gedacht, dass wir es
tatsächlich schaffen.«
»Noch sind wir nicht da, Paul, wer weiß, ob unsere zweite Visaverlängerung klappt«,
bringt Hansen mich wieder auf den Teppich.
Als wir am nächsten Tag endlich losfahren, ist es schon ein Uhr mittags. Und wir kom-
men keine zwei Kilometer weit, bevor Hansen anhält: »Der Auslöser ist gerissen«, mault
er und holt die frontal montierte Kamera ein. »Ich muss sie kurz reparieren.« Entnervt
über die weitere Verzögerung und mit dem Bewusstsein, dass wir heute noch einen ho-
hen Pass vor uns haben, packen wir das Werkzeug aus und reparieren den Auslöser. Auf
einmal kracht es - zum dritten Mal an diesem kurzen Tag werden wir Zeugen eines
glücklicherweise untragischen Unfalls. Beim ersten Unfall wurde das Auto, das sich
überschlagen hatte, einfach wieder aufgerichtet und die Reise mit verbogener Achse
fortgesetzt. Diesmal kommt ein Mönch mit seinem Moped ins Schleudern und rumpelt
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