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Jetzt sitze ich, um mich vor dem Regen zu schützen, unter einem Dachvorsprung di-
rekt neben einer öffentlichen Toilette. Neben der Klodame ziert ein selbst gemaltes »3G«
ein Schild. Was das wohl bedeuten soll? Kann man, während man auf dem Scheißhaus
sitzt, womöglich in Rekordgeschwindigkeit im Internet surfen? Mir bleiben die ganzen
nächsten Stunden, um darüber nachzudenken, denn Paul kommt und kommt nicht zu-
rück. Als er endlich nach fast vier Stunden auftaucht, bin ich völlig verfroren und Paul
wegen der Postodyssee genervt. Die Stimmung ist am Tiefpunkt. Wir wärmen uns in ei-
nem Restaurant auf und warten vergeblich auf besseres Wetter, nur um eine Stunde spä-
ter um sechs Uhr abends im strömenden Regen aufzubrechen.
Auf den deprimierenden Tag folgt ein deprimierender Abend, an dem wir im Regen
unser Zelt aufbauen, schnell hineinschlüpfen und ein paar kalte Nudeln im Zelt essen.
Paul mosert: »Haben wir nicht noch irgendetwas Leckeres?«
»Paul, wir müssen heftig sparen. Ab heute ist Fastenzeit.«
»Was, so schlimm?«
»Die Visaverlängerung hat uns gut 500 Euro gekostet.«
»Was?! Niemals!«
»Doch, überleg mal: Wir mussten die Reise nach Xining zahlen, drei Nächte in zwei
Hotels, eins für uns, eins für die Räder. Wir haben nur draußen gegessen, weil wir unser
Kochzeugs nicht dabeihatten, und so weiter.«
»Aber dafür haben wir doch das Notfallbackup«
»Aber denk dran, was noch alles ansteht: Flug umbuchen, Visum ein zweites Mal ver-
längern lassen. Hotel in Shanghai und eben Notfälle - wer weiß, was noch so passiert
und wer weiß wie lange die Räder ohne größere Reparaturen noch so easy mitmachen.«
Wir machen einen Kassensturz. Wenn wir es ohne Trampen nach Shanghai schaffen
wollen, brauchen wir noch 29 Reisetage. Uns bleiben acht Euro pro Tag, das wird nicht
reichen. Uns bleibt nichts anderes übrig als supersparsam zu sein. Und wenn wir Glück
haben, kommt etwas über das Spendeportal rein, über das viele Freunde, Familienmit-
glieder und sogar Fremde uns geholfen haben, die Reise überhaupt auf die Beine zu stel-
len. Immer mal wieder spendet jemand zehn, 20 oder sogar 50 Euro. Wir liegen noch
eine Weile wach. Wir könnten wir unser Budget aufzustocken? Was könnten wir ver-
kaufen?
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