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den die zehnjährigen Jungs und Mädchen mit scharfem Ton über den Platz komman-
diert. Nebenan spielen die etwas Älteren Basketball, und noch etwas weiter sammeln
sich alle paar Stunden Hunderte von Menschen und tanzen eine Art Fitnesstanz. Die klas-
sischeren Chinesen suchen den Grünstreifen auf und praktizieren dort in weißen oder
schwarzen Seidengewändern Tai-Chi, Fächertanz, Balltanz, Schleierwurf und Meditation.
Die ganze Stadt scheint mindestens einmal am Tag auf diesem Sportplatz und Park zu
sein und sich körperlich zu ertüchtigen, und sei es nur für den morgendlichen Zwanzig-
Runden-Spaziergang auf der den Platz umkreisenden Aschebahn.
Weil ich voll beladen bin, nehme ich ein Taxi zum Hostel. Langsam schlängelt es sich
durch die überfüllten Straßen. Der Fahrer singt leise zum Radio und surrend, knatternd
und hupend umschwirren uns die Mopeds und Tuk Tuks wie ein Bienenschwarm. Die
Leuchtreklame erhellt die Dämmerung, überall blinkt es. Nichts von dem, was da steht,
verstehe ich, und so sind es für mich grelle Ornamente, die das Bild der Stadt ausma-
chen - eine Lichtshow mit unspezifischer Bedeutung.
In der Nacht träume ich von dem Film »Enter the Void«, in dem ich schwerelos
durch die Gassen der Stadt fliege, vorbei an allen Leuchtreklamen, immer begleitet von
einem hellen Lichtkegel, der mich durch das endlose Labyrinth führt.
Wie versprochen, bekommen wir von der superkorrekten Beamtin am nächsten Mittag
unsere Visa ausgehändigt. Um nicht direkt wieder Stress zu haben, beschließen wir,
noch einen Tag länger in Xining zu bleiben. Leider ergibt sich daraus ein größeres Pro-
blem. Das Hotel in Yushu, in dem wir unsere Fahrräder und Gepäck gebunkert haben,
ist nur bis Samstagmittag bezahlt. Es ist außerdem unmöglich anzurufen, weil Yushu nur
abends Strom hat und die Telefonleitungen noch nicht wieder stehen. Aus dem Schla-
massel hilft uns die Besitzerin des Lete Youth Hostel - sie ruft einen Freund aus Yushu
an, der seinerseits einen Freund anruft, der persönlich im Hotel vorbeigeht und für uns
bezahlt. Wir wiederum bezahlen ihr den Betrag. »I will give him back the money when I see him
next time« , sagt sie gelassen. Fast eine Stunde hatte sie rumtelefoniert und uns damit so
sehr geholfen, ich hätte sie am liebsten umarmt, habe mich stattdessen aber sicherheits-
halber nur höflich mehrfach verbeugt und »sche-sche« gesagt.
Wir fahren noch am selben Tag zur Busstation und kaufen uns ein Ticket, denn auf
der Rückfahrt nach Yushu wollen wir nicht erneut um unser Leben bangen müssen. Ich
erstehe noch ein neues Display, Akku und Speaker-Modul für mein iPhone für umge-
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