Travel Reference
In-Depth Information
rechnet zwölf Euro, um die Schäden auszubessern, die mein Telefon am Anfang der
Tour erlitten hat, seitdem ich es in der Jackentasche in einem Wasserbad gelagert hatte.
Als wir am nächsten Tag endlich in Yushu in unserem Hotelzimmer ankommen, ist
noch alles an Ort und Stelle. »Wir sind wieder da«, sagt Hansen erleichtert, und lässt
den Rucksack in die Ecke des Zimmers sinken. Obwohl wir doch auf der Tour fast aus-
schließlich positive Erfahrungen machen, kann ich ein gewisses Misstrauen einfach nicht
abstellen. Die ganze Rückfahrt über habe ich mir Sorgen gemacht, unser Gepäck nicht
mehr oder nur unvollständig wieder vorzufinden. Vielleicht will ich nur nicht als naiver
Vollidiot dastehen, wenn wirklich mal etwas geklaut wird?
Während wir weg waren, hat es in Yushu geregnet, und die staubige Stadt hat sich in
ein riesiges Schlammloch verwandelt. Auf der Suche nach einer Post, bei der wir das
Backup unseres Videomaterials auf einer Festplatte sicher nach Deutschland verschicken
wollen, laufen wir durch die Vororte, wo Tausende von Menschen auf engstem Raum
seit zwei Jahren in Zelten hausen. Mit einem der WuLing-Taxi-Busse fahren wir durch
die Verwaltungszentralen, die Märkte und Baustellen, bis wir letztendlich aufgeben, ge-
scheitert an der Tatsache, dass die ordentliche Verpackung, ein sogenannter »internatio-
naler Karton« der chinesischen Post, in Yushu nicht zu finden ist. Weil es schon spät ist,
entscheiden wir, noch eine Nacht zu bleiben. Wir suchen uns ein kleines Restaurant, das
in einer der Notunterkünfte beherbergt ist. In einer Glasvitrine sind all die toten Tiere
und Teile ausgestellt, die man zerhackt mit Reis zu essen bekommt. Der sorgfältig auf
engstem Raum arbeitende Koch stellt uns ein Abendessen zusammen: zerhackten Hahn
und Schweinebauchspeck mit scharfem Dip und Chow-Mein-Nudeln. Neugierig beob-
achten die Einheimischen unsere Essversuche und erklären uns ein paar Dinge, die uns
das Essen erleichtern - etwa wie man die Zunge aus dem Kopf des Tieres löst, um sie zu
essen. Die bunten Glühbirnen, die an der Zeltdecke hängen, flackern nervös im Takt des
Generators, und draußen werden die kargen Betonskelette der zukünftigen Häuser mit
großen Scheinwerfern beleuchtet. Ich entdecke einen Arbeiter, der in schwindelerregen-
der Höhe hängt und den Stahl der Träger zusammenschweißt. Das gleißend helle Licht
blendet mich bis auf die andere Straßenseite und wird von der nassen Straße und den
Baumaschinen zurückgeworfen. Der durch das Gerippe rieselnde Funkenregen erhellt im
Sturz die darunterliegenden Stockwerke und bleibt für Bruchteile von Sekunden wie
leuchtender Schnee auf den Querverstrebungen liegen.
Search WWH ::




Custom Search