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deutet auf das Schutzblech. Ich kann mir ein Lachen kaum verkneifen, doch mein Kopf
wird von dem bereits wieder beschleunigenden Auto in den Nacken geworfen …
Als wir endlich in Xining ankommen, ist es halb vier. Hansen und ich erleben den
ersten City-Schock unserer Tour. Übermüdet und vollkommen geplättet von den um
mich herum aufragenden Hochhäusern, dem Lärm, der Hitze, und den endlosen Massen
an Menschen, die alle geschäftig und zielstrebig umherlaufen, stehen wir wie betäubt
am Straßenrand. Ein heranrasender Bus drängt uns von der Straße auf den Gehweg. Wir
finden uns inmitten einer Traube wartender Menschen wieder, die alle mindestens einen
Kopf kleiner sind als wir. Das sorgt für Aufsehen. Ich schaue an mir herunter und sehe
eine dreckige Jeans, kaputte Wanderschuhe, abgetragenes Fleece mit kaputtem Reisver-
schluss, eine schmutzig-gelbe, mit Tesa geflickte Cap in der Hand und dreckige Hände
mit langen Fingernägeln. Auf dem Land fällt das gar nicht so schlimm auf, aber hier ste-
hen um uns herum nur schick gekleidete Leute. Wir nehmen ein Taxi zum Bureau of
Public Security Xining und laufen zielstrebig in das schnieke Foyer. Sofort werden wir
von einer uniformierten Polizistin an den Visaschalter gebeten. Ich entschuldige mich
auf Chinesisch dafür, dass ich kein Chinesisch kann, und ernte meine ersten Pluspunkte
bei der in verschiedenen Foren als ziemliche Zicke deklarierten Polizistin. Man kennt
sich schon, bevor man sich kennt - oh, Internetwunder. Auf mich wirkt sie wie jemand,
der seinen Job ganz ausgezeichnet macht. Sie erklärt uns mit Geduld alles, was wir brau-
chen, und bittet uns, am nächsten Tag erneut zu kommen. Unsere etwas brenzlige Situa-
tion versteht sie ohne Meckereien und versichert uns, dass wir am Freitag unsere neuen
Visa hätten, wenn wir alles so machen, wie sie sagt. Erleichtert von den guten Nachrich-
ten suchen wir das von ihr empfohlene Hostel auf und mieten uns bis Freitag ein. Kaum
haben wir unser wirklich paradiesisches Doppelzimmer im 15. Stock mit Blick über die
ganze Stadt für umgerechnet zwölf Euro bezogen, überkommt mich eine fast erdrücken-
de Müdigkeit. Die letzten Tage waren anstrengend, die Nächte schlafarm, und die Unsi-
cherheit hat an meinen Nerven gezehrt. Jetzt, zum ersten Mal seit Tagen sehe ich, wie
sich das Wirrwarr aus besonderen Umständen lichtet und sich eins zum anderen fügt.
Wir gönnen uns noch ein Bier und eine Pizza und fallen ins Bett.
Mitten in der Nacht weckt mich Hansen: »Wie geht's dir?«, fragt er mit schleppender
Stimme. »Gut«, sage ich, überrascht über die nächtliche Nachfrage. »Mir ist kotzübel,
und mein Darm rumort«, sagt Hansen genervt, »die Pizza war schlecht.«
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