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Gelassen antwortet er, dass wir gegen fünf in Xining sein werden, ganze fünf Stunden
später als vereinbart.
»Das ist zu spät für uns - wir müssen mittags in Xining sein!«
Wieder nur träges Achselzucken.
»Paul, lass uns hier raus und ein Auto suchen, damit wir schneller sind.«
»Dann soll der uns verdammt noch eins mindestens 100 Yuan zurückgeben!«
Der Vorschlag kommt nicht gut an. Der Fahrer schmeißt uns raus und sagt, die 100
Yuan wären fürs Handyaufladen gewesen. Hansen platzt der Kragen: Er knallt die Tür zu
und beschimpft den Fahrer mit der feinsten Auslese deutscher Schimpfwörter. Dieser,
deutlich verdutzt, zieht Leine. »Hoffentlich platzen dir alle Reifen!«, ruft Hansen ihm
noch hinterher.
Wir werden von einem 18-Jährigen aufgegabelt, der aussieht wie Michael Jackson,
nur in superkurzsichtig, was ihn nicht davon abhält, das Gaspedal durchzudrücken, nur
um wenige Sekunden später, wegen jeder leichten Verfärbung auf der Straße, voll in die
Eisen zu steigen. Die schreckhafte Fahrweise ist zwar unangenehm, aber wir kommen
relativ schnell fast 140 Kilometer weiter. »Was wir jetzt bräuchten, wäre ein Business-
mann, der die Strecke kennt und es eilig hat, nach Xining zu kommen«, sagt Hansen, als
wir wieder am Straßenrand stehen. Und tatsächlich hält wenige Minuten später ein Pick-
up mit zwei Typen, wie wir sie besser nicht hätten casten können: Sonnenbrillen mit
schattiertem Verlauf, beide im Nadelstreifenanzug, einer mit Glatze, der andere mit Mit-
telscheitel. Auf dem Schoß hat der Beifahrer einen aufgeklappten Laptop, zwischen
Schulter und Ohr klemmt ein Telefon, in der anderen Hand ein zweites. Das Fenster
senkt sich, und über die Brille hinweg schaut der Fahrer an dem konzentrierten Beifahrer
vorbei und macht eine wortlose »Wohin?«-Geste.
»Xining?«, fragt Hansen fast eingeschüchtert, und der Fahrer winkt uns mit dem
Kopfnicken auf die Rückbank und los geht's. Weil der Pick-up unbeladen ist, springt das
Hinterteil des Autos bei jeder kleinen Schwelle so sehr, dass ich und Hansen mit dem
Kopf an die ohnehin niedrige Decke stoßen. Unbeeindruckt von den teilweise heftigen
Bodenwellen rasen die beiden telefonierend und gestikulierend über die Landstraße. Als
einem vor uns fahrenden Lkw das Schutzblech abfällt, steigt unser Fahrer kurzerhand
aus, packt das Ding auf die Ladefläche, steigt wieder ins Auto, dreht sich zu mir um,
reibt Daumen und Zeigefinger zusammen und sagt: »Money, Money, 500 Yuan« und
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