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»Wir müssen noch heute nach Xining weiter, einen Bus können wir uns nicht leisten,
also müssen wir trampen«, sagt Hansen entmutigt. »In spätestens drei Stunden sollten
wir am Ortsausgang stehen und den Daumen raushalten.«
»Wenn uns heute einer mitnimmt, sind wir allerfrühestens morgen Mittag da, dann
haben wir genau einen Tag zu wenig, um unser Visum zu verlängern«, rechne ich ihm
vor.
»Wir müssen einfach hoffen, dass die Polizei in Xining unsere Lage versteht! Das ist
schließlich eine Ausnahmesituation.«
»Und was machen wir mit den Rädern und dem Gepäck?«
»Wir fragen im Hotel, ob wir alles dort lassen können, bis wir wieder zurück sind«,
schlägt Hansen vor, und ich spüre, wie mir die Vanillesoße des unberührten Eises über
die Hand tropft.
Während wir im Schatten eines Containers stehen und beratschlagen, düst ein Jeep
mit vier Polizisten vorbei, bremst vor dem Kiosk, und der Fahrer ruft den Besitzer zu
sich. Sie befehlen ihm irgendetwas, woraufhin der Besitzer in den Laden hetzt und mit
vier Eis zurückkommt. Es wird kein Geld bezahlt, aber die Polizei wirft die Eisverpa-
ckung auf den Boden vor den Laden, und der Fahrer zeigt darauf und befiehlt dem La-
denbesitzer offensichtlich, den Müll aufzuheben. Dieser lacht nur verlegen, holt den Be-
sen und fegt den Müll zusammen. Dann weisen sie auf den Fußabtreter vor der Tür, der
ihnen wohl nicht gerade genug liegt. Der arme Mann muss auch diesen unter tosendem
Gelächter der Polizisten um ein paar Millimeter zurechtrücken. Die Polizei fährt lachend
davon, und der arme Mann aus dem Laden steht gedemütigt da.
Ich schaue Hansen fassungslos an, und auch er hatte die Szene staunend mitverfolgt.
»Was für Arschlöcher«, sagen wir gleichzeitig. So hilfsbereit und freundlich die chinesi-
sche Polizei uns gegenüber auch bisher gewesen ist, das gerade war unter aller Sau. Wir
hatten schon öfter gehört, dass die Einheimischen zum Teil sehr respektlos behandelt
werden. Doch bis eben habe ich nicht so wirklich daran geglaubt. Reine Schikane, um zu
demonstrieren, wer der Boss ist. Mir zeigt das aber nur eins: Wer das Arschloch ist.
Nachdem wir im Hotel schnell die wichtigsten Sachen eingepackt haben, stehen wir
mit einem kleinen Rucksack um sechs Uhr an einer Tankstelle außerhalb von Yushu. Das
erste Mal seit fünf Monaten ohne Rad. Die ganze Zeit habe ich das Gefühl, etwas überaus
Wichtiges vergessen zu haben.
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