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betstafeln und Flaggen geschmückt. Am Ortseingang stehen die blauen Notunterkünfte
der Hilfsorganisationen, die vor dem sehr harten Winter die zerstörten Häuser ersetzt
haben. Irgendwie kommt man sich als Fahrradtourist deplatziert vor, auch wenn uns
überall fröhliche Gesichter willkommen heißend entgegenlachen.
»Ich will nicht wissen, was uns in Yushu erwartet.« Ich lasse meinen Blick über die
Trümmerhaufen und Baustellen schweifen. »Hoffentlich können wir unser Visum da
überhaupt verlängern!«
»Aber dann hätte uns der Polizist in Golmud das doch nicht so gesagt.«
Nach einem kurzen Aufenthalt fahren wir weiter und lassen wieder eine Schar krei-
schender und freudig winkender Kinder hinter uns. Langsam zieht sich die Straße durch
das sanft anssteigende Tal auf unseren nächsten 4000er-Pass zu. Wir fahren nebeneinan-
der, weil kaum Verkehr herrscht und wir so besser reden können. Die Landschaft ist mir
mittlerweile so vertraut, aber wenn ich zurück sein werde in Berlin, werde ich sie ver-
missen, die mal sanft, mal schroff geformten Berge, die in so unvorstellbaren unbe-
wohnbaren Höhen eine so reiche und unberührte Natur bergen, wie ich sie nirgends zu-
vor erlebt habe. Überall plätschern kleine Bäche, die sich den Weg durch den moosigen
Boden bahnen. An den Abbruchkanten sitzen Murmeltiere in der Sonne und genießen
die Rückendeckung. Paul scheint meine Gedanken zu teilen: »Das ist der Himalaja …«,
sagt er wie ein Kommentator einer Tierdoku. »Das ist mein neues Lieblingsgebirge. Ich
werd's so vermissen in Berlin.«
Als wir am 3. September aufstehen, ist alles gefroren, aber die Sonne hat viel Kraft und
wärmt uns schnell. Wir wollen endlich die letzten 165 Kilometer und zwei 4500 Meter
hohe Pässe nach Yushu hinter uns bringen und die Nacht nach Yushu durchfahren. Wir
haben die Schnauze voll vom Visastress und wollen mit Sicherheit wissen, ob wir in
Yushu unseren verlängerten Aufenthalt legalisieren können. Vorher kann ich sowieso
keine Nacht mehr ruhig schlafen.
Beflügelt von dem Gedanken, am nächsten Tag alles hinter uns zu haben, erklimmen
wir den ersten Pass. Plötzlich begegnen wir ein paar wirklich unangenehmen Hunden.
Nicht bellend, sondern mit gesenktem Kopf und knurrend kommen sie auf uns zuge-
schossen. Mit einem riesigen Satz springen sie über den sicher zwei Meter breiten Stra-
ßengraben und drehen in unsere Richtung ab. Diese Wut und Aggressivität in ihren Au-
gen habe ich vorher noch nie gesehen. Wir fahren schnell die Straße hinab, aber sie ja-
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