Travel Reference
In-Depth Information
gen uns. Einer von ihnen verbeißt sich in meine Isomatte und reißt ein Stück davon her-
aus. Das hätte auch mein Unterschenkel sein können, schießt es mir durch den Kopf.
Glücklicherweise kommt uns noch vor der nächsten Steigung ein Lkw entgegen, der die
bissigen Viecher an den Straßenrand drängt. Mein Herz rast. »Die wollten uns wirklich
angreifen.«
»Wem gehören die Drecksviecher, die kann man doch nicht rumrennen lassen!«,
schimpft Paul.
»Die kennen keine Radfahrer«, keuche ich. »Und sie peilen nicht, wo sie reinbeißen
müssen. An der Isomatte können sie von mir aus verrecken!«
Der erste Pass zieht sich länger hin als wir dachten. Oben ankommen sind wir fix und
fertig, die Hunde, die schlechte Straße und die heftige Steigung auf den letzten Metern
haben uns alle Reserven gekostet. Es ist schon sechs Uhr abends, und wir beschließen ei-
ne Essenspause weiter unten im Tal einzulegen, um neue Kräfte für die Nacht zu sam-
meln. So fahren wir einige Kilometer die steilen Serpentinen ab und suchen ein windge-
schütztes Plätzchen fürs Kochen. Als wir wieder aufbrechen, dämmert es bereits, und
wir machen uns bereit für die Nachtfahrt: Stirnlampen, Handschuhe, Jeans, dicke Socken
und Bauarbeiter-Handschuhe, die wir in einem kleinen Dorfladen ergattern konnten. Als
wir mit den Vorbereitungen fertig sind, ist es stockdunkel. Der Mond ist noch nicht auf-
gegangen, und die spärlichen Lampen reichen gerade, um mit 10 bis 15 Stundenkilome-
tern die steinige Straße entlangzufahren. Um die Autos auf uns aufmerksam zu machen,
lasse ich die frontal montierte Kamera aufblitzen, sobald sie in Sichtweite sind. Der Ef-
fekt ist perfekt. Die Autos bremsen ab und fahren vorsichtig an uns vorbei. Anfangs sind
die Temperaturen noch gut auszuhalten, aber je weiter wir fahren, desto kälter wird es.
Der sternklare Himmel lässt alle Wärme des Tages entweichen, und bald klebt Eis an den
Tüchern vor unserer Nase. Auch die Hunde lassen uns nicht in Ruhe. Überall leuchten
ihre Augen am Straßenrand, manchmal verdrücken sie sich, manchmal kommen sie auf
uns zugeschossen und verfolgen uns hartnäckig bellend. Überhaupt ist was los im Dun-
keln: Auch die Yaks sind nachtaktiv. Ihre gruseligen riesigen und zottigen Konturen mit
den langen, spitzen Hörnern zeichnen sich hier und da gegen den Nachthimmel ab, dar-
in die gelb leuchtenden Augen. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man ihre Sil-
houette für die des Gehörnten halten. Ab und an versperren sie uns den Weg, und wir
müssen die gutmütigen, aber uns suspekten Gestalten passieren lassen.
Search WWH ::




Custom Search