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hier oben aufzuschlagen. Auch deswegen, weil wir, für den Fall, dass einer von uns in
der Nacht an Höhenkrankheit leidet, dann nicht erst über den Pass hinauffahren müssen,
um weiter abzufahren. Das nämlich ist die von uns sogenannte Hochtalfalle. Wenn es ei-
nem richtig schlecht geht, sollte man unbedingt absteigen. Geht das aber nicht, weil
man in einem Hochtal ist, bei dem man erst einmal wieder weiter aufsteigen muss, um
auf der anderen Seite herunterzukommen, ist das lebensgefährlich. Besser also oben blei-
ben, um im Notfall runter zu können.
Als die Sonne nach dem Essen untergeht, wird es schweinekalt. Innerhalb weniger
Minuten sinkt das Thermometer auf unter null Grad, und ein eisiger Wind treibt uns ins
Zelt. Wir wickeln uns in unseren Schlafsäcken ein und versuchen so schnell wie möglich
einzuschlafen. Aber schon nach einer Stunde leichtem Schlummern wacht Paul auf und
ringt regelrecht nach Luft. »Ich hab echt heftige Atempausen«, sagt er, scheint die Sache
aber nicht besonders ernst zu nehmen: »Atempausen sind laut der Gesellschaft für Berg-
und Expeditionsmedizin nur ein Frühsymptom der Höhenkrankheit. Ich glaube, wir
müssen erst mal nicht absteigen!« Meint er das bei klarem Verstand oder ist das schon
Übermut, totale Fehleinschätzung der Sachlage - übrigens auch ein typisches Symptom
für die Höhenkrankheit.
»Ich hab ziemliche Kopfschmerzen, Paul. Sollen wir nicht doch besser absteigen?«,
frage ich meinen Bruder, der sich mittlerweile aufgesetzt hat.
»Hansen, das Zelt ist von außen mit einer Eisschicht bedeckt. Es ist schweinekalt,
willst du da wirklich raus?«
»Ich weiß doch auch nicht. Ich will bloß keinen großen Fehler machen«, antworte
ich.
»Pass auf, wir nehmen jetzt beide eine 600er-Ibuprofen und schauen, ob das was
bringt. Wenn nicht, steigen wir ab.«
»Und wenn wir einfach nicht mehr aufwachen, ich hab da mal 'ne Geschichte von
einem Bergsteiger gelesen, der im Schlaf erstickt ist …« Ich werde nervös.
»Hansen, beruhig dich. Bitte lass uns ein, zwei Stunden abwarten. Das sind doch kei-
ne heftigen Symptome, die wir haben. Die gehen sicher auch so weg!«
Ich beschließe zu glauben, was Paul da sagt. Und hoffe inständig, es ist nicht der ver-
nebelte Höhen-Paul, der da zu mir spricht, sondern jemand mit klarem Verstand. Zwar
kann ich kaum schlafen, aber Pauls Atempausen verschwinden tatsächlich und meine
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