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wie im Internet beschrieben, unbesetzt. Hinter der letzten Kurve im Dorf kommt der
zweite.
Wir haben alles am Morgen schon einmal durchgespielt. Falls die Schranke geöffnet
ist, werden wir als Erstes versuchen, einfach langsam aber zielstrebig durchzufahren. Als
ein Lkw passieren will, versuchen wir direkt dahinter mit hindurchzuwitschen, aber ein
mit Maschinengewehr bewaffneter Soldat versperrt uns den Weg. Auch der auf dem
Wachturm positionierte Soldat gibt uns zu verstehen, wir sollen absteigen. Einer der Sol-
daten geleitet uns in die Station. Wie besprochen, hole ich die Ausweise wie zufällig zu-
sammen mit unserem gesamten Bargeld heraus, die Soldaten sollen sehen, dass wir zah-
lungsfähig sind, falls sie bestechlich sein sollten. Als sie uns zu verstehen geben, dass un-
ser Visum nicht für Tibet gültig sei, und wir ein Alien Permit brauchen, stelle ich mich
wie geplant blöd und frage, was so ein Permit denn kostet. Mir schwitzen die Hände,
denn ich weiß, dass das Ganze auch als Bestechungsversuch verstanden werden kann
(was es ja auch ist), und der, haben wir ebenfalls im Internet gelesen, kann Gefängnis
oder Schlimmeres zur Folge haben.
Der Soldat lässt sich nicht beirren, lacht und wedelt ablehnend mit den Händen. »Das
kann man nicht kaufen, das bekommen nur Chinesen oder Touristen mit chinesischem
Guide«, gestikuliert er. Natürlich wussten wir das, aber wir wollten nichts unversucht
lassen. Ich bin verzweifelt und den Tränen nahe. Am liebsten würde ich ihn am Kragen
packen und sagen: »Hör zu, du Pappkamerad - wir sind 7000 Kilometer aus Deutsch-
land hierhergefahren, um dieses sagenumwobene Land zu sehen. Jetzt lass uns ver-
dammt noch mal rein!« Aber natürlich halte ich die Klappe und schlucke nur den dicken
Kloß herunter, der in meinem Hals steckt. Da sitze ich, 200 Kilometer und insgesamt
drei Tagestouren abseits unserer Alternativroute im Himalaja und scheitere an den un-
nachgiebigen Grenzsoldaten. Während Paul so tut, als ob er telefoniert, aber in Wirk-
lichkeit mit seiner Handykamera den Checkpoint ausspioniert, sitze ich einfach nur da
und versuche zu begreifen und verdauen, dass wir gescheitert sind. Ein letzter Funken
Hoffnung keimt auf, als wir erneut nach den Ausweisen gefragt werden, aber nur weni-
ge Minuten später bekommen wir sie mit der Bitte zurück, den Checkpoint zu verlassen.
Resigniert, niedergeschlagen und deprimiert schieben wir die Räder zurück ins Dorf.
»Jetzt bleibt uns nur noch die illegale Möglichkeit, die Räder über den angrenzenden
Bergkamm zu tragen, aber das sind echte Kletterpfade, da dürfen wir uns keine Fehler
leisten«, sagt Paul vorsichtig, wie um anzutesten, ob ich dazu bereit wäre. Wäre ich,
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