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wie ein Traum, an den man sich nur noch vage erinnern kann. »Jetzt weiß ich, warum
da keine Lkw gefahren sind, die wissen, dass man bei Regen in Lebensgefahr schwebt«,
sagt Paul und pustet in seine kalten Hände.
Wir öffnen unsere durchnässten Jacken und lassen sie vom Fahrtwind trocken föh-
nen. Weiter unten im Tal finden wir einen traumhaften Platz am Fluss: eine von einer
Herde Kühe gemähte Wiese, umgeben von einer Felswand mit einer Höhle darin, die
uns bei Regen Schutz bieten kann. Wir waschen uns in dem kleinen Becken am Fuß der
Felswand. Ich kann noch immer nicht gerade stehen. »Aber es wird langsam besser«,
versichere ich Paul, der mich besorgt anschaut.
Der 22. Juli beginnt voller - im Rückblick - naiver Hoffnung und endet mit einem zer-
schlagenen Traum. Weil es meinem Rücken nicht viel besser geht, machen wir uns erst
gegen Mittag auf zum alles entscheidenden Checkpoint. 30 Kilometer und 500 Höhen-
meter trennen uns noch von der Gewissheit, für die wir, wenn wir Pech haben, einen
Umweg von fast 400 Kilometern fahren. Wir sind nervös, die Stimmung ist angespannt.
Konzentriert und wortlos fahren wir das Tal nach Kudi hinauf. Die Landschaft ist karg,
nur ein schlammiger Fluss durchzieht das Tal, das von senkrechten Felswänden um-
schlossen ist. Auf halber Strecke treffen wir einen Wanderer, der uns eine fast unglaubli-
che Nachricht bringt. »You just passed Kudi Checkpoint right there« , sagt er und deutet auf die Mi-
litärkaserne, die wir eben passiert haben. Er ist sich sicher, aber wir wissen aus vielen
verschiedenen Quellen, dass es bis Kudi noch etwa 20 Kilometer sein müssen. Trotzdem
überkommt mich ein warmes Glücksgefühl. Aber wir sollten vorsichtig sein. »Falls er
recht hat, sind wir schon im Sperrgebiet und sollten uns auf keinen Fall direkt als Euro-
päer zu erkennen geben, vielleicht ist der Checkpoint verlegt worden und wir haben tat-
sächlich Glück?«, sage ich und ziehe mir mein Halstuch bis über die Nase. Voller Hoff-
nung und Anspannung fahren wir weiter. Ständig passieren uns Militärkolonnen, wir
versuchen unser Gesicht zu verstecken, aber wie sich herausstellt - alles umsonst, der
Wanderer lag falsch, und Kudi kommt erst noch.
Wir erkennen die Kontrolle aus Beschreibungen aus dem Internet. »Das ist es«, sage
ich steif vor Aufregung und zeige auf ein kleines Dorf in einer Schlucht, das links von ei-
nem reißendem Gebirgsbach, rechts von senkrechten Felswänden eingerahmt ist. Der
angeblich härteste Checkpoint in ganz Tibet liegt nicht ohne Grund hier, er ist unmög-
lich zu umschleichen. Zielstrebig fahren wir in das Dorf hinein. Der erste Checkpoint ist,
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