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Kinder, in seinen Hof, wo ein Eimer mit Wasser steht. Sehr vorsichtig, und ohne einen
Tropfen zu verschwenden, füllt er es in unseren Kanister um. Das Wasser ist trüb, aber
Dreck reinigt den Magen, und gegen die Bakterien haben wir fiese Chlortabletten da-
bei …
Ich bedanke mich herzlich und klettere zurück in unseren schattenlosen Knast aus As-
phalt und Stacheldraht.
Kaum haben wir das Dorf verlassen, empfängt uns die Wüste mit einer sandigen
Umarmung: Ein Sandsturm holt uns ein und schiebt uns mit 40 Stundenkilometern vor
sich her. Hansen drückt sich die nach seinem Wutanfall wieder zusammengeflickte Son-
nenbrille ins Gesicht und bindet sich das gepunktete Reisetuch vor Mund und Nase. Die
Sicht ist so schlecht, dass ich Hansen, der nur 20 Meter vor mir fährt, ständig aus den
Augen verliere. Wie ein Schleier zieht der Sand über die Straße. Wenn man schnell ge-
nug fährt, herrscht absolute Stille, weil der Wind von hinten kommt und der Sand wie
Schnee alle Geräusche schluckt. Eine gespenstische Atmosphäre. Die Sonne kann man nur
als hellen Punkt durch die Sandwolken erahnen, die Autos fahren in Schrittgeschwindig-
keit mit Warnblinkanlage und Fernlicht. Ein paar hartgesottene Uiguren fahren ohne
Helm und Brille gegen den Wind auf ihrem Moped.
Der Sandsturm trägt uns so weit, dass wir die Abfahrt nach Yarkant verpassen. Zur
Krönung hat Hansen den zweiten Platten an diesem Tag. In sengender Mittagshitze fli-
cken wir auf dem heißen Asphalt sein Rad. Auch wenn wir zu weit gefahren sind, gegen
den Wind zurück ist keine Option, also fahren wir weiter und müssen in einer waghalsi-
gen Aktion die Mautstraße an einer Brücke verlassen, indem wir über das Brückengelän-
der klettern und den steilen Sockel der Brücke mitsamt den Rädern hinunterrutschen.
Uns bleibt nichts anderes übrig, denn es ist unsere letzte Gelegenheit, auf die alte Land-
straße nach Kargilik zu kommen. Wie wir später herausfinden, haben wir durch die Ak-
tion zufällig einen Checkpoint umfahren, der zumindest vor ein paar Jahren noch Rei-
sende auf ihre Erlaubnis für die Strecke über Hotan nach Golmud geprüft hat. Der andere
Checkpoint, den wir stattdessen vor uns haben, ignoriert uns.
Kaum in Poskam angekommen, hat Hansen seinen dritten Platten. »Plattentag«,
flucht er und nimmt den Schlauch genauer unter die Lupe. Und tatsächlich. Der Schlauch
ist wie vorperforiert. Wahrscheinlich uraltes Gummi. Wir hatten den Ersatz in Kashgar
kaufen müssen und nicht auf die Qualität geachtet. Um unsere Fahrräder hat sich mitt-
lerweile wieder eine Gruppe von gut vierzig Leuten versammelt, die jede unserer Bewe-
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