Travel Reference
In-Depth Information
gung genauestens verfolgen. Ich komme mir vor wie ein Zirkustier. Teilweise kommen
die Zuschauer so dicht an uns heran, dass ich ihren Atem im Nacken spüren kann. Es
macht mich aggressiv. Wie kann man so distanzlos sein? Keiner von ihnen hat unseren
»As-salamu aleykum« -Gruß erwidert, alle stehen sie nur da und glotzen. Wir fühlen uns, als
würden sie Aliens beobachten, und bei jedem unserer Versuche zu kommunizieren,
wenden sie sich nur zueinander und sagen ungläubig so etwas wie: »Schau, es hat ver-
sucht zu sprechen.« Und dabei bleibt es nicht. Kaum hat der Erste gewagt, mein Rad zu
berühren, kommen sie alle. Alles wird auf seine Stabilität getestet. Die empfindliche So-
laranlage gedreht und gewendet, der Flicken auf meinem Sattel versucht abzuziehen, das
frontale Aluminiumstativ seitlich verbogen, und sogar das im örtlichen Laden gekaufte
Olivenöl wird aufgemacht und getestet. Bei allem Respekt für fremde Kulturen - ich
weiß, dass dieses Verhalten hier wohl tatsächlich normal ist - es kotzt mich an! Das sind
meine Sachen, und die brauche ich funktionierend! Und wenn man keine Ahnung hat,
was das ist, dann dreht und windet man es doch nicht solange, bis es sich verbiegt? Kurz
bevor mir der Kragen platzt, ist Hansen mit dem neuen Schlauch zurück, den er in ei-
nem kleinen Fahrradladen kaufen konnte. Schnell bauen wir ihn ein und fahren weiter,
nein, wir fliehen regelrecht!
CHECKPOINTS / 21. JULI / KUDI
Hansen
»Hier müssen wir ab«, sagt Paul. Ein mulmiges Gefühl beschleicht mich, als wir auf die
Straße nach Tibet fahren. Wir werden zwar mit großer Wahrscheinlichkeit abgewiesen,
wollen aber dennoch 200 Kilometer bis zum ersten Checkpoint in Kudi fahren, um un-
ser Glück auf die Probe zu stellen. »Wahrscheinlich sind wir in drei Tagen wieder hier«,
antworte ich mit einem Grinsen, »aber dann haben wir es zumindest versucht!«
In Kargilik haben wir nur kurz unsere Vorräte für unseren Exkurs auf den 5200 Meter
hohen Pass bei Mazar aufgestockt. Diesen Pass erklimmen wir nun, auf der Straße in das
Land, für das wir keine Einreisegenehmigung haben: auf nach Tibet!
Search WWH ::




Custom Search