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Paul zittert bei 35 Grad im Schatten, der Fiebermesser zeigt 39 Grad. Die Fieberschü-
be passen immer mehr auf das im Internet angegebene Krankheitsmuster der Malaria
Tertiana, auch wenn die Inkubationszeit nicht mit unserem Reiseverlauf übereinstimmt.
Es ist aus, er muss ins Krankenhaus, ich mach so nicht weiter. »Paul, das ist das Ende der
Tour. Wir werden es nicht mehr rechtzeitig nach China schaffen. China-Visum abgelau-
fen, Tour gelaufen.«
Paul liegt am Boden und weint bitterlich. »Das kann's doch nicht gewesen sein?«,
schluchzt er.
»Es ist aber so. Gewöhn dich schon mal dran.« Ich weiß, ich klinge kalt, aber Paul hat
gerade Schmerzen und Emotionen für uns zwei - und ich fühle gar nichts mehr. Totale
Leere. »Wir haben mit unserer Gesundheit gespielt. Das macht man nicht, das ist die
Quittung dafür. Sobald du einigermaßen stabil bist, fahren wir zur nächsten Stadt mit
Flughafen, wenn nicht, fahren wir direkt ins nächste Krankenhaus.«
»Hansen … Hansen, bitte nicht so schnell«, fleht Paul mich an, als hätte ich es in der
Hand. »Bitte lass mich schlafen, danach messe ich noch mal Fieber, und wenn es nicht
gestiegen ist, warten wir, bis es runtergeht und trampen bis nach China und machen da
zwei Wochen Pause, um wieder fit zu werden.«
»Das macht keinen Sinn, Paul. Da können wir ja gleich einen All-inclusive-Urlaub bu-
chen.«
»Bitte, Hansen. Das ist der letzte Funken Hoffnung, den ich habe, den lass ich mir
nicht nehmen.«
Ich muss ein paar Meter laufen. Paul liegt da und hofft, dass sein Fieber runtergeht.
Natürlich wünsche ich mir auch, dass es weitergeht. Aber einer von uns beiden muss
doch den Tatsachen ins Gesicht sehen. Man kann nicht so blauäugig sein und glauben,
dass einen ständig jemand rettet, dass es immer irgendwie weitergeht. Ich habe keine
Lust, Paul in einem fort aus der Scheiße zu ziehen. Ich habe selbst keine Kraft mehr. Ich
weiß nicht, wieso, aber es macht mich irrsinnig wütend, dass Paul krank ist. Wenn sei-
netwegen die ganze Tour kippt! Das macht mich rasend, obwohl ich natürlich weiß,
dass es nicht seine Schuld ist.
Ich kenne dieses Gefühl einfach, ich hab das alles schon mitgemacht, und jedes Mal,
wenn Paul kränkelt und ich ihm helfen muss, kommt dieses alte Gefühl wieder hoch.
Paul und ich waren 15, als wir mit den Rädern einen Abhang runtergedüst sind. Plötz-
lich verfing sich etwas in seinem Vorderrad, und er flog über den Lenker und brach sich
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