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beide Arme. Der arme Paul. Acht Wochen lang beide Arme im Gips - er konnte nichts
machen. Was haben ihn alle bedauert. Und wer musste ihn rund um die Uhr betreuen
und bekam kein Mitleid? Ich. Ich habe ihn gefüttert, gewaschen, habe in der Schule für
ihn mitgeschrieben, ihm sogar den Arsch abgewischt. Acht unendliche Wochen lang.
Kein Wunder, dass so was Narben hinterlässt …
DER KAMAZ / 8. JULI / KURZ VOR SARY TASH
PAUL
»Es ist gesunken!«, rufe ich Hansen zu und halte das Thermometer in der Hand wie eine
Trophäe. »Das Fieber ist zurückgegangen!«
»Das höre ich nicht zum ersten Mal«, sagt er, aber ich merke, dass auch in ihm ein
Hoffnungsschimmer aufkeimt.
»Bitte, Hansen, lass uns jetzt nicht zurück, sondern weiter zum nächsten Krankenhaus
nach Sary Tash fahren und hoffen, dass es schnell besser geht. Dann können wir versu-
chen, noch rechtzeitig bis nach China zu kommen, egal wie. Lass uns trampen, so könn-
ten wir es vielleicht schaffen. Und selbst wenn wir abbrechen, wir müssen doch sowieso
zum nächsten großen Flughafen, und der ist in Kashgar.«
Wenig später sitzen wir getrennt in zwei Trucks, diesmal in zwei Kamaz, einer russi-
schen Marke. Die Achsen sind so verbogen, dass auf geraden Straßen die ganze Kabine
wackelt wie ein Presslufthammer. Die beiden fahren Holz aus Deutschland nach Afgha-
nistan für die US -Armee. Der Fahrer zeigt mir stolz ein Dokument. Und tatsächlich, es ist
ein Schein vom deutschen Zollamt, das die Ausfuhr bestätigt. Die Geschwindigkeit be-
wegt sich zwischen 5 und 50 Stundenkilometern. »Am sanftesten fährt er sich auf Bu-
ckelpisten«, sagt der Fahrer und lacht. »Da gleichen die Löcher die Achsschläge manch-
mal aus.«
Ich lächele müde zurück und schaue verträumt zum Fenster raus. Ich bin noch immer
matt und den Tränen nahe. Draußen erheben sich riesige Berge, die Straße windet sich
langsam den Pass hoch, es wird grüner, und die Sonne blitzt immer wieder zwischen
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