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mer für alles geradestehen, mit einer Lösung parat stehen, ihn weiterschleppen, bis er
wieder schlappmacht. Heute Morgen noch hat er mir versichert, dass es ihm gut geht,
wir sind die ersten knapp 400 Höhenmeter gefahren, da braucht er erneut eine Pause.
Warum? Klar, weil das Fieber zurück ist. Er liegt im Schatten, die Arme vor dem Gesicht
verschränkt, und ich stapfe wütend durch das Kiesbett eines ausgetrockneten Flusses. Ich
fühle mich so hilflos, fühle mich wie amputiert! Vor Wut zerschmettere ich meine Son-
nenbrille.
»Hansen, hast du etwa gerade deine Sonnenbrille kaputt gemacht?«, ächzt Paul matt
und ungläubig.
»Ja, hab ich. Die brauch ich ja wohl auch nicht mehr«, antworte ich harsch.
»Wie meinst du das?« Paul spricht so leise, dass ich ihn kaum hören kann, weil ich
mich immer weiter von ihm wegbewege. Ich kann dieses Elend einfach nicht mehr er-
tragen.
»Für mich ist es hier zu Ende. Wenn wir uns nur von einem Kilometer zum nächsten
hangeln, ist es vorbei. So brauchen wir nicht mal daran zu denken, nach Shanghai zu
kommen.«
»Okay, machen wir es so, gehen wir eben das Risiko ein, dass die Krankheit noch
schlimmer wird.«
»Nein, Paul, wir gehen überhaupt kein Risiko ein!«
»Wenn du jetzt echt abbrechen willst, können wir es doch auch riskieren.«
Dieser Idiot, begreift rein gar nichts. Ich schreie beinahe: »Darum geht's doch gar
nicht! Selbst wenn wir weitermachen, schleichen wir so langsam wie die Kaffeetanten,
es ist zum Kotzen. Versteh mich nicht falsch, ich weiß nicht, warum ich solche Aggres-
sionen kriege. Seit zwei Wochen ist die Tour nur noch ein Vor-sich-hin-Dümpeln. Und
auch schon davor, bevor du überhaupt krank geworden bist. Die Luft ist raus, die Kraft
ist raus, wir kommen nicht mehr voran. Wir haben keinen Bock mehr. Wir werden
krank, weil wir keinen Bock mehr haben. Psychosomatisch!«
»Dein Scheißpsychosomatisch, dein Lieblingswort in einem Land, in dem die Hygie-
nezustände der letzte Dreck sind. Da kann ich dir garantieren, dass nichts psychosoma-
tisch ist. Wir haben uns einfach zeitlich verschätzt.«
Das, was Paul am liebsten herausschreien würde, flüstert er halb. Er ist total ausge-
knockt vom Fieber. Ich kann nicht anders. Ich kann jetzt kein Mitleid haben. Ich gehe
ein paar Schritte weiter weg. Ich muss nachdenken, irgendwie die Wut loswerden.
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