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ich mir nach den wenigen Tagen von Kirgisistan mache. Es ist ganz ohne Frage eines der
schönsten Länder, die ich bisher bereist habe. Aber es hat seine zwei Seiten. Einerseits
die wunderschöne Natur, andererseits die schrecklich vergifteten Gebiete. Natürlich wer-
den wir in einem großen Bogen um Mailuussuu herumfahren, aber trotzdem begegnet
man gelegentlich Tieren mit seltsamen Missbildungen, die sicher auf den Uranschlamm
zurückzuführen sind: Esel mit Geschwüren an Bauch und Beinen oder Kühe mit wild
wuchernden Hörnern, die ihnen ins eigene Fleisch wachsen. Dann sind da die wahnsin-
nig freundlichen Menschen und wiederum diejenigen, die uns, vor allem direkt hinter
der Grenze, mit Steinen beschmissen haben, weil sie uns für Amerikaner hielten. Der
Kalte Krieg ist hier schlicht noch nicht vorbei.
»Sollen wir jetzt einfach aufstehen?«, frage ich Hansen. Und es kostet etwas Überzeu-
gungskraft, ihn aus den Federn zu bewegen, aber letztendlich schaffen wir es seit Lan-
gem mal wieder, früh aufzustehen und in der kühlen Morgenluft loszufahren. Heute ha-
ben wir nur einen kleineren Pass vor uns, leider erreichen wir dessen Fuß jedoch erst zu
Beginn der Mittagshitze und quälen uns 700 Meter mit Aussicht auf kühlere Bergluft den
Pass hoch. In einer Kurve sehen wir einen Wagen auf der Seite liegen, dessen Anhänger
ein Stück weiter zerborsten am Fuße des steilen Abhangs liegt. Von der Straße bis zum
Wrack erstreckt sich eine Spur aus Kühlschränken, Kleidern und Schuhen. Der Fahrer,
der wohl gerade vom Markt kam und an dem Abhang nach den Resten seines Standes
sucht, kann von Glück reden, dass er nicht mit hinuntergesegelt ist. Das hätte er nicht
überlebt.
Oben angekommen müssen wir den ersten Satz Bremsbacken wechseln. Die vergan-
genen Pässe haben meine vorderen Bremsen komplett heruntergehobelt. Die Abfahrt
geht in einem anfangs sehr steilen, später gediegenen Tal an einem Fluss entlang bis un-
terhalb des großen »Toktogul Hydroelectric Plant«, wo wir uns einen Schlafplatz auf ei-
ner kleinen Halbinsel suchen. »Das absolute Paradies«, murmelt Hansen immer wieder.
Das Wasser ist türkisblau und eiskalt, die Insel liegt in einem Canyon und hat Kirsch-
und Aprikosenbäume, die reich an Früchten sind.
»Die Strömung des Flusses hat sich geändert.« Ich zeige auf die Äste und Blätter, die
gegen den Strom den Fluss hinaufziehen. Das Wasser ist gestiegen und hat das Treibgut
vom Ufer aufgenommen.
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