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Als wir endlich den Pass erreichen, fängt es an zu hageln und zu schneien. Wir be-
schließen, unsere Pause auf das wärmere Tal zu verlegen, und packen uns mit allem ein,
was wir an Kleidung noch dabeihaben, leider keine Handschuhe. Endlos windet sich die
Straße den Berg hinunter, und die permanent bremsenden Hände sind taub und kraftlos
vor Kälte. Immer wieder muss ich anhalten, um sie warmzureiben und das Gefühl und
die Kraft nicht völlig zu verlieren. Die Bremsscheiben dampfen und zischen, wenn Trop-
fen darauffallen. Es ist, als würde man Winter, Frühling und Herbst kurz hintereinander
erleben. Oben noch Schnee und Eiseskälte, ein paar Hundert Meter weiter blühen die
Frühlingsblumen, und noch weiter unten herrscht sengende Hitze und Dürre.
Wir lassen uns direkt an einem riesigen Gebirgsfluss nieder, der tosend ins Tal
strömt, waschen uns in dem eiskalten Wasser und bauen unser Nachtlager auf. Wir bas-
teln an unseren Fahrrädern - die Handbremse wird optimiert und das frontale Stativ aus-
gebessert -, und auch den nächsten Morgen verbasteln wir bis in den Vormittag hinein.
Plötzlich werden wir von zwei Männern angesprochen, die uns weismachen wollen, sie
seien zwei zivile Ekologica-Polizisten. Das hier sei ein Naturschutzgebiet, in dem wir
kein Feuer machen dürften, und sie erklären uns, unser komplett abgeschirmter Kocher
sei nicht »normal« und wir sollen lieber ein Steinbecken für das Feuer bauen, das wäre
»normal«. Zuerst sollen wir ihnen zur Strafe 1000 Som zahlen, nach einigem Hin und
Her sind es nur noch 300, und als ich dem einen 240 gebe, sind sie damit zufrieden. Sie
schenken uns zum Abschied noch wilde Nektarinen - eine komische Art, erst zu kassie-
ren und dann Geschenke zu machen.
»Bisschen teuer, die Nektarinen … oder?«, frage ich Paul.
HÖHEN UND TIEFEN / 1. JULI / HINTER TOKTOGUL
PAUL
Wir haben die Nacht an einem glasklaren See hinter Toktogul verbracht. Die Berge glei-
chen riesigen abgerundeten Maulwurfshügeln, und die Straße windet sich malerisch
durch sie hindurch. Frühmorgens liege ich im Zelt und denke über das Bild nach, das
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