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Wind und der dünneren Luft. Die schmale Straße zog sich in schier endlosen Serpenti-
nen das Tal hinauf, gesäumt von den Jurten der Hirten, die im Sommer aus den tieferen
Gegenden hier hochziehen, um ihr Vieh zu weiden. Aus den Jurten steigt Rauch auf -
vor den gedrungenen runden Zelten sitzen oft die älteren Familienmitglieder, gerben
Felle oder sammeln getrocknete Kuhfladen als Brennmaterial, um sie zu kunstvollen Ge-
bilden zu stapeln. Die Kinder spielen um sie herum und laufen auf uns zu, sobald man
uns am Horizont entdecken kann. Das Dorf, das wir nach der eisigen Abfahrt am Ab-
zweig Richtung Toktogul erwartet hatten, um endlich einen Lebensmittelladen zu fin-
den, gab es nicht. Ein Kartenfehler.
»Kein Magazin bis Toktogul«, hatte uns eine verschleierte Frau aus einer Jurte heraus
zugerufen.
»Dann muss uns das Essen, das wir noch haben, bis Toktogul reichen«, sagte Paul, als
wir wenig später unser Zelt neben einem Gebirgsbach aufschlugen.
80 Kilometer über einen 3100 Meter hohen Pass? Zwar hatten wir gestern sogar
mehr Höhenmeter geschafft, aber das Ganze an zwei Tagen hintereinander? Wir schauen
auf die Karte und sehen, dass der Anstieg zwar steil, aber dafür nur zwölf Kilometer lang
ist. Die übrigen 68 Kilometer nach Toktogul geht es bergab. »Das kriegen wir doch
hin!« Ich versuche einen motivierten Ton anzuschlagen, als ein kleiner Fiat Panda anhält
und sechs Muslime in traditionellem Gewand aussteigen, um uns auszufragen. Freund-
lich beantworten wir alle Fragen und werden sogar dafür belohnt: Sie schenken uns et-
was Wasser und einen Laib Brot, als ob sie gewusst hätten, dass das alles ist, was uns ge-
rade fehlt. Sie laden uns noch ein, bei ihnen in Jalalabad zu schlafen, wenn wir eine Un-
terkunft bräuchten. Dankend verabschieden wir uns mit »Inshallah« , und die sechs ver-
schwinden auf magische Weise in dem wirklich winzigen Auto. Wir müssen uns also
nicht unbedingt bis zum nächsten Magazin abhetzen. Gut gelaunt nehmen wir den Pass
in Angriff, die Temperatur ist schon wieder auf um die null Grad abgekühlt, und ab und
zu liegt sogar Schnee neben der Straße, Lawinenreste des Winters, vermuten wir. So
wunderschön Kirgisistan auch ist - ein Problem hat es. Die Gewässer hinter Toktogul
sind zum größten Teil verseucht, weil sie sich in der Gegend von Mailuussuu befinden,
einer von den Russen während des Kalten Kriegs durch Uranschlamm vergifteten Stadt.
Besser also, wir gehen auf Nummer sicher und decken uns mit genügend Trinkwasser
ein.
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