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werden. Dieser Ausgangspunkt geht allerdings nicht soweit, dass damit postuliert werden
soll, der menschliche Erkenntnisapparat bestände nur aus zwei Hauptkomponenten: das
eigentliche Gehirn selbst (also die Hardware) und das Wissen oder die Information, die
es enthält (die Software) (Schank 1986 ). Mit Hilfe der mit einer Brainware ausgestatteten
Hard- und Software-Systeme lassen sich in Zukunft kognitive Leistungen, wie Bewusst-
sein, Erkenntnis etc. als auch kognitive Leistungsstörungen, wie Aphasien, Agnosie und
Apraxien simulieren, die dann aber über den Bereich des Pathologischen hinaus die Ent-
wicklung allgemeiner Aussagen über die höheren kognitiven Funktionen menschlicher als
auch artifizieller Systeme ermöglichen.
Schon heute ist erkennbar, dass einerseits die kognitiven Funktionen auf einer massiven Parallel-
verarbeitung mit verteilter (subsymbolischer) Repräsentation beruht, andererseits aber auch durch
sequentielle Symbolverarbeitung gekennzeichnet ist.
Insofern kann man anhand dieses selbstreferentiellen Bezugs behaupten, dass Cognitive
Computing auch eine Erkenntnistheorie darstellt, mit der sich der Mensch durch die Er-
forschung artifizieller kognitiver Systeme selbst zu erkennen versucht.
Ein weiteres Teilgebiet des Cognitive Computing befasst sich mit den Zusammenhän-
gen zwischen der Brainware und perzeptorischen bzw. effektorischen Phänomenen sol-
cher artifizieller Systeme. Zielsetzung ist die Erklärung von Verhalten, Kognition, Emo-
tion und Handeln solcher Systeme im Kontext von Situationen bzw. Umgebungen. Dieser
verhaltensorientierte Ansatz des Cognitive Computing dient der Anregung, Präzisierung
artifiziell-kognitiver Modellannahmen (Konzeptionalisierung), deren systemtechnischer
Realisierung (Implementierung) sowie deren empirische Überprüfung (Validierung).
Im Rahmen eines softwaretechnologischen Ansatzes setzt Cognitive Computing den
Computer als Modell für die Konzeptionalisierung kognitiver Prozesse und als Träger-
modell für die Realisierung intelligenter Lösungen ein. Dabei gilt es zu beachten, dass der
Begriff der Intelligenz ebenfalls in einer eher verhaltensorientierten Auffassung verwen-
det wird, indem er angibt, inwieweit solche Lösungen die Fähigkeit aufweisen, Wissen zu
erwerben und in konkreten Situationen und Umgebungen anzuwenden. Mit Hilfe dieses
technologischen Ansatzes wendet sich Cognitive Computing auch solchen Wissensgebie-
ten zu, die noch nicht formal beschrieben sind und die sich derzeit einer solchen Erschlie-
ßung noch entziehen. Aus dieser Perspektive kann Cognitive Computing als eine Wissen-
schaftsdisziplin angesehen werden, die sich mit der Konzeptionalisierung, Implementie-
rung und Validierung noch nicht formal durchdrungener kognitiver Prozesse befasst und
dabei bewusst auf den Schritt der Formalisierung zunächst verzichtet.
Der in diesem Buch verfolgte Forschungsansatz lässt zwei Richtungen erkennen. Aus-
gehend von bewährten formalen Grundlagentheorien erfolgt eine sukzessive Erweiterung
formaler Methoden zur Synthetisierung zunehmend komplexer kognitiver Prozesse (bot-
tom up). Ausgehend von funktionierenden natürlichen und artifiziellen Systemen erfolgt
die Dekomposition und Modellierung natürlicher und artifizieller kognitiver Prozesse zu
deren besseren Verständnis (top-down). Beide Richtungen ergänzen sich dabei gegensei-
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