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Kognition zum Schaden von Menschen entscheiden und entsprechend handeln? Die notwendige
Auseinandersetzung mit solchen (alten) Fragenstellungen und die daraus resultierenden (neuen)
Antworten könnten bereits ein verändertes Gesamtbild des Menschen und seiner Welt ergeben. Ein
wesentlicher Punkt dabei ist, dass auch die mit einer artifiziellen Kognition ausgestatteten Systeme
und deren Einbettung in Experimente und Alltag selbst aktiv und autonom auf diesen Veränderungs-
prozess einwirken.
2.2
Methodik
Das vorliegende Buch behandelt das Problem der prozessualen und funktionalen Ausge-
staltung von artifiziell-kognitiven Systemen. Im Sinne der Wissenschaftsphilosophie ist
diese Untersuchung als ein Forschungsprogramm oder vorsichtig als Paradigma anzuse-
hen, d. h. als ein zunächst interdisziplinäres, dann transdisziplinäres Unternehmen, dessen
charakteristischste Methode die kognitive Modellierung ist, nämlich die formale und auf
Computer implementierte Modellierung kognitiver Prozesse in Verbindung mit der Über-
prüfung dieser Modelle durch empirische Analyse natürlicher kognitiver Systeme.
Vorsichtig daher, weil zum einen im Sinne von T.S. Kuhn oder I. Lakatos. Die Wissenschaft operiert
nach dieser Sichtweise in einem anerkannten Paradigma, das eine Grundorientierung der Forschung
vorgibt. Es umfasst die disziplinären Grundlagen (Theorien, Methoden, Gegenstandsbestimmungen,
Definitionen, Instrumentarien, Techniken etc.), deren Infragestellung dann allerdings zu einem Para-
digmenwechsel führen kann. Das Paradigma erweist sich demnach als Rahmen für die Forschung,
das die kreativen und gerichteten Prozesse kanalisiert und bei Irritationen wieder ausrichtet, d. h. in
die alten Bahnen zurückzubringen versucht. Eine Wissenschaft befindet sich also solange innerhalb
eines Paradigmas, als die gemeinsamen Problemlösungen innerhalb dieser Wissenschaftsgemein-
schaft nicht in Frage gestellt werden. Vorsichtig aber auch deshalb, weil damit nicht präjudiziert
werden soll, dass ein Wandel in den kognitionswissenschaftlichen Vorstellungen diese Dimension
einer „wissenschaftlichen Revolution“ erreicht. Immerhin könnte gerade die Untersuchungen erge-
ben, dass die Kognitionswissenschaft im Allgemeinen und das Cognitive Computing im Speziellen
eine „Transdiziplin“ ist, die ganz ohne Paradigma auskommt, da andere Momente die Theoriedy-
namik bestimmen.
Die Diskussion um Kognition im Allgemeinen und exemplarisch um das des Leib-Seele-
Problems wird auf der einen Seite von Philosophen geführt, auf der anderen Seite unter
anderem von Psychologen, Neurologen, Linguisten, Anthropologen oder eben inzwischen
von auch Informatikern. Auf der einen Seite wird (fast) ausschließlich theoretisch ge-
arbeitet, auf der anderen Seite wird die Empirie großgeschrieben. Beide Methoden haben
ihre Daseinsberechtigung, gelten sie doch als unverzichtbar, wenn es um Erkenntnisge-
winnung bei der Lösung solcher Fragestellungen geht. Dennoch kann man sich nicht des
Eindrucks erwehren, dass die einzelnen Forschenden hier und da aneinander vorbeireden.
Dies macht sich schon daran bemerkbar, dass häufig ein völlig anderes Vokabular zur For-
malisierung der jeweiligen Theorien benutzt wird. So sprechen Psychologen von Problem-
lösungsverhalten, Zweck-Mittel-Analyse oder funktionalen Zuständen, wo Philosophen
von intentionalem Handeln, wertebasierter Folgenabschätzung und mentalen Zuständen
 
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