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Diese Aussage kann man schon eher akzeptieren, schließlich ist wenigstens die Aus-
sage im Folgerungsteil wahr. (Auf Karl, den Karpfen, passt namlich die betrachtete
Beschreibung nicht.) Doch ganz glucklich sind wir auch mit dieser Aussage nicht,
denn sie ist insgesamt wahr, obwohl ihre Bedingung falsch ist. Intuitiv erwarten wir
jedoch von einer “Wenn ...dann ...”-Aussage, dass sie einen Zusammenhang her-
stellt zwischen Bedingungsteil und Folgerungsteil. Genau das leistet die materiale
(klassische) Implikation nicht, sie abstrahiert im Gegenteil von jeder inhaltlichen
Bedeutung (daher material ), und ihr Wahrheitswert bestimmt sich ausschließlich
aus den Wahrheitswerten ihrer Komponenten, sie wird also wahrheitsfunktional in-
terpretiert (vgl. Definition 3.9). Wenigstens lasst sich aber nun einsehen, dass wir
tatsachlich eine formal richtige Aussage uber Flipper abgeleitet haben.
Worin liegt denn dann der entscheidende Unterschied zwischen Aussage (1)
und Aussage (2)? In Aussage (1) haben wir statt des Namens “Flipper” das Perso-
nalpronomen “er” verwendet, welches unserem intuitiven Verstandnis nach auch ein
beliebiges Individuum - eben auch Karl, den Karpfen - reprasentieren kann. Wir
interpretieren Aussage (1) also im Grunde genommen nicht als aussagenlogische,
sondern als pradikatenlogische Formel:
xF ch(x)
T eichbewohner(x)
Delphin(x).
Die pradikatenlogische Version der Formel F aus Selbsttestaufgabe 3.81 ist aber gar
nicht allgemeingultig, und die obige Beweiskette bricht zusammen:
Selbsttestaufgabe 3.83 (Falsifizierbarkeit) Geben Sie eine Interpretation an,
in der die Formel
(
¬
(
xA(x)
(B(x)
C(x))))
(
y (B(y)
C(y))
A(y))
nicht gultig ist.
Nicht die Logik spielte uns also hier einen Streich, sondern stillschweigende
sprachliche Konventionen und Assoziationen, mit denen man sich unweigerlich aus-
einandersetzen muss. Vor diesem Hintergrund erfordert der Prozess der adaquaten
Wissensreprasentation Sorgfalt und fundierte Logikkenntnisse ebenso wie die Fahig-
keit zur Selbstkritik, denn nicht selten enthullen elementare Beispiele wie das obi-
ge Schwachpunkte der gewahlten Reprasentationsform. Letzteres ist ubrigens der
Grund dafur, dass man auch im Zusammenhang mit komplexen Systemen immer
wieder auf solche trivial erscheinenden Aussagen wie “Vogel fliegen, Tweety, der
Pinguin, aber nicht” zuruckgreift.
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