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Eine Nation Schokoladesüchtiger
Cailler ist nur eine von vielen Schokoladenfirmen in der Schweiz, die mit zwölf Kilo-
gramm pro Person und Jahr das Land mit dem weltweit höchsten Schokoladenkonsum ist.
Zwei Dinge werden in dem Artikel auf der Homepage von Chocosuisse dann eher beiläu-
fig erwähnt. Jedes Jahr werden 30 000 Tonnen Schokolade in die Schweiz importiert, was
klingt, als würde man Eulen nach Athen tragen, aber vielleicht ist es ja ausschließlich
Blockschokolade. Und zweitens handelt es sich bei den zwölf Kilogramm um eine reine
Verkaufszahl, die nichts darüber aussagt, wie viel ein Schweizer tatsächlich verzehrt. Da-
rin ist nämlich auch all die Schokolade enthalten, die von den Touristen als Mitbringsel er-
standen wird. Nachdem ich einmal gesehen habe, wie eine japanische Reisegruppe das
Schokoladenregal im Supermarkt bis auf die letzte Tafel geplündert hat, bin ich davon
überzeugt, dass ein beträchtlicher Anteil des hiesigen Schokoladenkonsums den Touristen
zuzuschreiben ist. Oder denjenigen, die - wie Chocosuisse es auf seiner Homepage aus-
drückt - »nur über die Grenze kommen, um Schweizer Schokolade einzukaufen«, also all
den vielen Deutschen, die sich für Weihnachten mit Lindt eindecken. Was vielleicht der
Grund dafür ist, dass es in den Schweizer Supermärkten eine solch riesige Auswahl gibt.
Mein Coop um die Ecke zählt zu den eher kleinen, in den sich nur wenige Touristen
verirren, aber selbst dort gibt es ungelogen 84 verschiedene Sorten. Und zwar ohne Scho-
koriegel wie Twix oder Mars, nein, ich habe nur die normalen 100- Gramm-Tafeln gezählt.
Der heimische Verbrauch der Gesamtproduktion liegt indes lediglich bei 40 Prozent, der
Rest der Schweizer Schokolade wird ins Ausland, vor allem nach Deutschland und Groß-
britannien exportiert. Die Welt liebt Schweizer Schokolade. Doch trotz ihrer unangefoch-
tenen Stellung als Ikone ist die Schokoladenproduktion als Industriebranche in der
Schweiz eher unbedeutend. Sie erwirtschaftet mit gerade einmal 4500 Beschäftigten einen
jährlichen Umsatz von 1,8 Milliarden Franken und verbraucht, was mich am meisten ver-
blüfft hat, nur ein Prozent der jährlichen Kakaoernte. Größe spielt in dem Fall tatsächlich
die entscheidende Rolle, und hier heißt es: je kleiner, desto feiner.
Auch wenn die Schweizer Marken zu den weltweit bekanntesten zählen, schmecken sie
wirklich besser? Ich habe einen Geschmackstest durchgeführt, bei dem vier Schweizer und
zwei britische Schokoladen blind verkostet wurden. Zwar behaupten Schokoladensnobs,
dass nur die dunkle (mit 70 Prozent Kakaoanteil) etwas taugt, aber da drei Viertel der in
der Schweiz konsumierten Schokolade Milchschokolade ist, habe ich mich darauf be-
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