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Die Geburtsstätte der Milchschokolade
Vevey ist nicht gerade der Ort, mit dem Sie eine Kreation verbinden würden, die weltweit
seit Jahrzehnten die Stimmung aufhellt, und Sie würden dort auch nicht den Sitz der Fir-
menzentrale des weltgrößten Lebensmittelkonzerns vermuten. Die kleine Stadt mit dem
riesigen Marktplatz liegt nicht unweit von Montreux (s. Karte der Romandie) am Nordufer
des Genfer Sees und bietet eine Aussicht auf die französischen Alpen. Doch außer dass
hier tatsächlich Nestlé residiert, hat Vevey noch etwas Außergewöhnliches zu bieten: Es ist
die letzte Ruhestätte von Charlie Chaplin, dessen Statue die Seeuferpromenade schmückt.
Und er ist nicht der einzige große Brite, der auf dem winzigen Friedhof Corsier-sur-Vevey
begraben liegt. Sein Nachbar ist James Mason und quer über die Straße stößt man in Cor-
seaux auf Graham Greene, was diese Ecke der Schweiz auf immer zu englischem Territori-
um macht. Ich frage mich, ob sie wohl alle Milchschokolade mochten oder nur von dem
sonnigen Klima und dem Seeblick bezaubert waren.
Das größte Gebäude im Ort ist nicht gerade das schönste, aber auch keine Monstrosität,
was bei einem Konzerngiganten wie Nestlé ja möglich wäre. Als der deutsche Emigrant
Henri Nestlé 1866 die Firma gründete, war sie ausschließlich auf Kondensmilch und
Milchpulver für Säuglinge spezialisiert, ein Produkt, das bei nestlékritischen Aktivisten
heute noch für Kummer sorgt. Inzwischen gehören Nestlé so viele Marken, dass es prak-
tisch ein Supermarkt geworden ist: Perrier, Mövenpick, Maggi, Felix und Buitoni, um nur
ein paar Namen zu nennen. Ende der 1980er-Jahre hat Nestlé auch Rowntree geschluckt,
einen der ältesten britischen Süßwarenhersteller - sechzig Jahre nachdem Daniel Peters
Schokoladenfabrik dasselbe Schicksal ereilte. Worauf es aber vielleicht von Anfang an zu-
lief, denn schließlich war die Erfindung der Milchschokolade Ergebnis der Nachbarschaft
von Peter und Nestlé.
Der Sohn eines Fleischers war ursprünglich Kerzenmacher, bevor er durch die Ehe mit
der Tochter von François-Louis Callier, der bereits vor Ort eine Schokoladenfabrik besaß,
in die Welt der Schokolade eintauchte. Damals war Schokolade noch nicht die sahnige, auf
der Zunge schmelzende Sinnenfreude, die heutzutage so beliebt ist, sondern im Wesentli-
chen mit Zucker gemischte Kakaomasse. Und ganz und gar nicht billig. Peters Genie-
streich war es, Milch hinzuzufügen, was die Schokolade schmackhafter machte und die
Kosten reduzierte. Ohne eigene Kolonien musste die Schweiz den notwendigen Zucker
und Kakao teuer importieren, doch Milch gab es hektoliterweise direkt vor der Haustür.
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