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Peters erste Versuche schlugen fehl, weil normale Milch zu wässrig war, aber glücklicher-
weise hatte er gleich nebenan Nestlé mit der dickeren Kondensmilch. Es kam zu einer
Verbindung, die im Himmel geschlossen wurde - oder zumindest in Vevey anno 1875.
In den folgenden Jahrzehnten festigte die Schweiz ihren Ruf als bester Schokoladen-
hersteller der Welt. Gut betuchte ausländische Touristen trugen das Ihre dazu bei, indem
sie das Produkt mit nach Hause nahmen. Ganz wie die Touristen heutzutage, nur dass es
damals viel weniger waren. Zu den Herren Cailler und Peter, die schon lange zu einer
Firma verschmolzen waren, gesellten sich in Neuchâtel Monsieur Suchard und in Bern
Herr Lindt und Herr Tobler, der die vielleicht bekannteste Marke schuf. Schließlich gibt
es wohl keinen Duty-free-Shop auf der Welt, in dem man nicht seine dreieckige Kreation
erhält, deren Form von einer Tänzerinnenpyramide in den Folies Bergère inspiriert war.
Jedes einzelne der jährlich verkauften sieben Milliarden Toblerone-Dreiecke wird auch
heute noch in Bern produziert, obwohl die Firma inzwischen dem US -Nahrungsmittel-
konzern Kraft gehört.
Trotz seiner bedeutenden Stellung in der Schokoladengeschichte sieht und schmeckt
man in Vevey nicht mehr viel vom früheren Zauber der braunen Leckerei. Dafür muss
man nach Broc fahren, wo heute noch die älteste Schweizer Schokoladenmarke Cailler
hergestellt wird. Zunächst mutet eine Schokoladenfabrik mitten in der Pampa nordöstlich
von Gruyères ein wenig seltsam an, bis einem klar wird, dass es dort alles gibt, was ein
altmodischer Chocolatier benötigt - mit Ausnahme der Kakaobohnen natürlich. Fließge-
wässer, um die Mühlen anzutreiben, eine Zugverbindung und - von entscheidender Be-
deutung! - massenhaft Gruyères-Kühe mit Milch im Euter. Die 1898 eröffnete Fabrik ist
heute noch Hauptproduzent der Cailler-Schokolade, und die Besichtigung ist empfehlens-
wert.
Da Cailler im Gegensatz zu Lindt oder Suchard kaum exportiert wird, ist der Name im
Ausland weniger bekannt. Für alle mit empfindsamem Gaumen aber ist sie das Beste
vom Besten. Ich bin mit meiner Familie zu diesem Tempel im Schokoladenhimmel gefah-
ren, weil ich dort zu sehen hoffte, wie sie entsteht. Leider aber ist der Herstellungsprozess
aus Sicherheits- und Hygienegründen nicht mehr Bestandteil der Fabrikbesichtigung,
doch zumindest riecht es überall nach Schokolade. Freudig gestimmt, weil die Rezeptio-
nistin eine »umfassende Degustation« am Ende der Führung in Aussicht gestellt hat, ma-
chen wir uns an die Nichtbesichtigung der Fabrik.
Eine bäuerlich gekleidete Frau erläutert uns den Weg von der Kakaobohne zu einer Ta-
fel Cailler. Jedes Jahr verbraucht allein diese eine Fabrik 4000 Tonnen Kakao und 6800
Tonnen Zucker, dazu 7,2 Millionen Liter Milch von 58 Höfen der Umgebung. Mit einem
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