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Der Berg ruft
In der Schweiz gibt es praktisch keine weltbekannten Denkmäler oder Gebäude, weder ein
Tadsch Mahal noch einen Eiffelturm oder ein Opernhaus à la Sydney. Stattdessen gibt es
Berge, darunter zwei der bekanntesten Europas. Die schroffe Eiger-Nordwand spielt zwar
häufig in Filmen und Büchern die Hauptrolle, aber die wahre Schweizer Ikone ist das Mat-
terhorn. Dieses einzigartige dreieckige Wunder mit dem windschiefen Gipfel ist in der
ganzen Welt bekannt, nicht immer aber zu Hause. Keine der 16 Kandidatinnen für die
Miss-Schweiz-Wahlen 2009 konnte den berühmten Berg auf dem vorgelegten Foto benen-
nen; anscheinend geht es bei der Kür dieser Schönheitsköniginnen wirklich nur ums Aus-
sehen. Für die meisten anderen Schweizer ist das Matterhorn jedoch ein sofort erkennba-
res Symbol ihres Landes, obwohl sie es mit den Italienern teilen müssen. Der Berg liegt
nämlich nicht etwa mitten in der Schweiz, sondern mitten in der Walachei, genauer gesagt
an der schweizerisch-italienischen Grenze. Das heißt, die Reise dorthin ist keine Kaffee-
fahrt: Von Bern aus zum Beispiel muss der Bahnreisende zwei Mal umsteigen, jedes Mal in
einen kleineren, langsameren Zug, um durch immer tiefere Täler und Schluchten nach
Zermatt und noch weiter hinauf zu gelangen. Aber es ist die Mühe wert. Aus einem ganz
einfachen Grund - die Aussicht.
Das Matterhorn überragt buchstäblich seine Nachbargipfel. Nicht wegen seiner Größe,
obwohl es mit 4478 Metern nicht gerade ein Maulwurfshügel ist, sondern weil es kühn und
einsam aufragt, ohne dass andere Gipfel das Bild stören. Es wirkt so majestätisch, weil
man den ganzen Berg von der Talsohle bis zum Gipfel betrachten kann. Und diesen Weg
von ganz unten nach ganz oben hat als Erster ein Engländer zurückgelegt. 1865 führte Ed-
ward Whymper eine Seilschaft zur Erstbesteigung auf das Matterhorn, allerdings kamen
dabei vier Bergsteiger ums Leben. Die meisten heutigen Besucher begnügen sich gern mit
dem Ausblick vom Zug oder von der Endstation der Gornergratbahn, wo man nicht nur
das Matterhorn sieht, sondern auch den mächtigen Gornergletscher und das Monte-Rosa-
Massiv mit der schneebedeckten Dufourspitze, den mit 4634 Metern höchsten Berg der
Schweiz. Angesichts dieses Bergpanoramas glaubt man kaum, dass es Luftlinie nur 70 Ki-
lometer nach Ascona sind, mit 193 Metern über dem Meeresspiegel der tiefste Punkt der
Schweiz, was einem Höhenunterschied von 4400 Metern zwischen Essen und Köln ent-
sprechen würde. Solche Extreme so nah beieinander zeigen, wie kompakt die Schweiz ist,
aber auch welche Hindernisse möglicherweise selbst bei der kürzesten Reise überwunden
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