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dem Ort öffentliche Brunnen, aus denen kristallklares Alpenwasser sprudelt. Viele ziert
eine farbenprächtige mittelalterliche Skulptur, etwa die blinde Justitia oder ein Kinder
fressendes Ungeheuer. Und dann gibt es noch den Einpackservice. Das Schöne am Shop-
pen in der Schweiz ist weder die große Auswahl an Uhren noch, bedauerlicherweise, die
Qualität des Service', sondern das Einpacken. Das ist nämlich kostenlos, sogar in der Vor-
weihnachtszeit, wenn am Einpacktisch mehr Menschen anstehen als an der Kasse; dem
als Geschenk verpackten Gaul schauen die Schweizer nicht ins Maul. Vielleicht sind sie ja
deshalb so reich geworden, weil sie den Pfennig ehren - den eigenen wie den der ande-
ren.
Reich und gesund. In der Geschichte waren das die beiden Gründe, aus denen man, ab-
gesehen vom Skiurlaub, in die Schweiz kam. Es ging um das Wohlbefinden physischer
oder finanzieller Natur, man entzog sich dem Zugriff des Sensenmannes oder des Fiskus.
Im 19. Jahrhundert gab es für verordnete Bettruhe keinen schöneren Ort als ein Schwei-
zer Sanatorium. Lange bevor Davos zur Quasselbude für die Reichen und Mächtigen
wurde, war es ein einziges Rekonvaleszentenheim. Robert Louis Stevenson schrieb den
letzten Teil der Schatzinsel bei einem Erholungsaufenthalt in Davos, und in Thomas
Manns Zauberberg übernahm der Ort eine Hauptrolle. Heutzutage heißen Sanatorien
Wellness- oder Kurhotels, aber der Grundgedanke ist derselbe: Kommen Sie in die
Schweiz, und werden Sie gesund. Bei mir hat's funktioniert. Und nachdem die Schweizer
Banken nun vorhaben, sich halbwegs an die Spielregeln zu halten, wird der Fiskus Sie
wohl früher drankriegen als der Sensenmann.
Die Schweizer leben lang und in Frieden. Sie gehören zu den gesündesten und reichs-
ten Völkern der Erde, die durchschnittliche Lebenserwartung von 81,9 Jahren wird nur
von den Japanern übertroffen, und das Bruttoinlandsprodukt von 68 000 Dollar pro Kopf
ist das vierthöchste weltweit. Aber wie dieses Kapitel gezeigt hat, treffen die Eidgenossen
nicht immer die klügsten Entscheidungen. Manchmal spielen dabei Notwendigkeit oder
Gier eine Rolle, meist aber liegt es daran, dass sie sich auf die Ehrlichkeit der anderen
verlassen. Sind sie in dieser Hinsicht nun weltfremd oder altruistisch? Naiv oder berech-
nend? Wahrscheinlich von allem ein bisschen. Das Land der Schweizer unterscheidet sich
also gar nicht so sehr von anderen Ländern; sie verpacken es nur hübscher.
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