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21 ein, eine denkwürdige Position, denn sie bedeutet, dass die Schweiz nicht zu
G20-Gipfeln eingeladen wird. Eine Kränkung, die noch immer schmerzt.
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die jüngste Wirtschaftskrise die Schweiz
weit weniger erschüttert hat als viele der G 20-Mitglieder, und zwar hauptsächlich weil
der Immobilienmarkt ebenso stabil ist wie der Franken. Hier kennt man weder Boom
noch Crash, denn die meisten Bürger wohnen zur Miete. Nur 35 Prozent der Schweizer
besitzen ein Eigenheim, in einer Stadt wie Bern sind es lediglich elf Prozent, es ist also
praktisch umgekehrt wie auf dem britischen Markt. Das ist teilweise kulturell bedingt -
die eigenen vier Wände sind in der Schweiz nicht das A und O -, aber es ist auch eine
Frage des Geldbeutels, weil man eine Anzahlung von 20 Prozent leisten muss. Es gibt
Leute, die ihr ganzes Leben in ein und derselben Mietwohnung zubringen, was als risiko-
lose, vernünftige Option betrachtet wird und nicht als Geldverschwendung.
Dass jeder mietet, hat seine Vorteile. Kein Streben nach immer besserem Wohneigen-
tum, keine Immobilienhaie, und da man mit Immobilien kein Vermögen machen kann,
läuft man auch nicht Gefahr, eines zu verlieren. Negativer Marktwert - was ist das denn?
In den Geschäftsstraßen sind Immobilienmakler dünn gesät, die Immobilienanzeigen in
den Zeitungen halten sich in Grenzen, und im Fernsehen laufen nicht ständig irgendwel-
che Renovierungs- und Umzugsserien mit Einrichtungstipps. Dafür muss man schon zum
deutschen Fernsehen umschalten. Kaufen oder nicht kaufen, diese Frage stellt sich in der
Schweiz bei vielen Waren, aber selten bei Häusern.
Das Beste daran ist, dass die Straßen nicht durch einen Wald aus »Zu-verkaufen«-
Schildern verschandelt werden. Stattdessen steht auf vakanten Grundstücken oft ein En-
semble aus vier magersüchtigen Marsraumschiffen. Es handelt sich um Dreibeinstative
aus Metall oder Holz, welche die Dimensionen, Standort und Höhe geplanter Neubauten
visualisieren. In der Schweiz muss jedes Bauvorhaben auf diese Weise angezeigt werden.
Das gilt auch für Hochhäuser, für die mit Drahtseilen stabilisierte Masten wie aus dem
Fischer-Technik-Baukasten aufgestellt werden, um zu zeigen, wie hoch sie einmal in den
Himmel ragen sollen. Das sieht zwar seltsam aus, vermittelt aber jedem eine Vorstellung
davon, was geplant ist, sodass er seine Einwände vorbringen kann. Für Baugenehmigun-
gen ist also nicht nur die Zustimmung eines Gremiums nötig, sondern auch der Konsens
der Anwohner.
Die Schweiz gilt als teuer, was man grundsätzlich nicht bestreiten kann, aber nicht alles
ist hier mit einem Preisschild versehen. Die Schweizer sagen gern, nichts im Leben sei
umsonst, aber ein paar der besten Dinge seien gratis. Zum Beispiel gibt es praktisch in je-
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