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Vertrau mir, ich bin Schweizer
Ein Bild soll ja mehr sagen als tausend Worte, aber manchmal vermittelt erst ein Wort das
richtige Bild. Im Fall der Schweiz sind die zahllosen Fotos von Almhütten, Bergen und Zü-
gen schöne Postkartenmotive, aber keines bringt das Wesen des Landes auf den Punkt. Da-
für braucht man ein Wort: Vertrauen. Nichts verrät mehr über die Schweizer, ihr Land und
ihre Lebenshaltung als dieses Wort. Vertrauen verbindet sie miteinander. Wenn es darum
geht, die richtige Entscheidung zu treffen, setzen sie Vertrauen ineinander und nicht in Po-
litiker. Ladeninhaber stellen Tische mit ihren Waren unbeaufsichtigt vor die Tür, Überwa-
chungskameras glänzen durch Abwesenheit, und Mäntel werden am Eingang des Restau-
rants auf einen Bügel oder an einen Haken gehängt und nicht über die Stuhllehne. Und
zwar weil die Schweizer darauf vertrauen, dass ihre Mitbürger weder Regeln verletzen
noch das System betrügen. Natürlich gibt es auch hier Diebe, Einbrecher, Sozialhilfebetrü-
ger und Steuerhinterzieher, aber entweder schlagen sie seltener zu als anderswo oder ihre
Taten werden nicht ruchbar. In einer Gesellschaft zu leben, die auf Vertrauen basiert, stellt
einen jedoch vor größere Probleme als so ein paar Gaunereien. Denn in einer solchen Ge-
sellschaft stellt man keine Fragen und geht davon aus, dass jeder ebenso anständig ist wie
man selbst.
Dass kaum Fragen gestellt werden, hängt nicht nur mit dem Vertrauen zusammen, son-
dern auch mit der Privatsphäre, die dem Schweizer über alles geht. Man schnüffelt nicht
herum, weil man weiß, dass die Nachbarn sich an die Regeln halten. Das Verhalten ande-
rer wird nicht hinterfragt, weil sie uns ihr Wort gegeben haben, dass es moralisch ein-
wandfrei ist. Man greift nur ein, wenn offensichtlich ist, dass der andere eine Grenze über-
schritten hat. Das ist großartig, solange alle dieselben Spielregeln beachten, aber im wirkli-
chen Leben ist das nicht immer der Fall. Konfrontiert mit Unredlichkeit und Betrug, rea-
gieren Schweizer häufig mit charmanter Ungläubigkeit und beunruhigender Naivität.
Oder vielleicht ist das auch alles nur Theater, und sie haben einfach ausgeblendet, was sie
nicht sehen wollen. Wie die Wahrheit aussieht, ist zumindest im Fall der Schweizer Ban-
ken schwer zu beurteilen.
Das Bankwesen ist vielleicht das größte der vielen Klischees von der Schweiz, und in ei-
ner Hinsicht trifft es zweifellos zu: Es gibt in diesem Land eine Menge Banken. Neben den
beiden großen ( UBS und Crédit Suisse) finden wir 326 kleinere Banken mit über 3400 Fi-
lialen, die 2010 insgesamt 132 000 Mitarbeiter beschäftigten. Das ist ein beachtlicher Wirt-
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