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bricht sie auf dem Boden zusammen. Die Gäste umringen sie, Orpheus
kniet nieder und will sich um sie kümmern, doch sie verliert unaufhalt-
sam an Höhe und versinkt langsam durch eine Falltür im Bühnenboden.
Er greift nach ihr, will sie zurückhalten, aber sie entgleitet ihm, gleitet
ihm durch die Finger und aus ihrem Kleid, sodass er auf der Bühne
zurückbleibt und nur ein Stück leeren Stofs in den Händen hält.
Auch in modernen Kostümen entfaltete die Oper noch ihre Zauberkraft.
Und dennoch können wir, selbst in unseren modernen Kostümen, nicht
Orpheus oder Eurydike sein. Wir haben die alten Metaphern verloren
und müssen uns neue suchen. Wir können nicht in die Tiefe hinab-
steigen, wie Orpheus hinabgestiegen ist. Darum müssen wir auf andere
Art in die Tiefe gehen, unsere Eurydike auf andere Art zurückholen. Wir
können immer noch in Träume hinabsteigen. Und wir können in Erin-
nerungen hinabsteigen.
Anfangs sind Träume, entgegen aller Wahrscheinlichkeit (aber wo ist
bei all dem die Wahrscheinlichkeit geblieben?), verlässlicher, sicherer
als Erinnerungen. Wenn sie in meinen Träumen erscheint, ist sie in
Aussehen und Verhalten ganz sie selbst. Ich weiß immer, dass sie es
ist - sie ist ruhig, belustigt, glücklich und sexy, und folglich bin ich es
auch. Im Traum zeichnet sich rasch und regelmäßig ein Muster ab. Wir
sind zusammen, sie ist ofensichtlich völlig gesund, darum denke ich -
besser gesagt, da das ein Traum ist, weiß ich -, dass man ihr entweder
eine falsche Diagnose gestellt hat, oder sie ist auf wundersame Weise
wieder genesen, oder (und das ist das Allermindeste) der Tod wurde
für mehrere Jahre aufgeschoben, und unser gemeinsames Leben kann
weitergehen. Diese Illusion hält eine Weile an. Aber dann denke ich -
besser gesagt, da das ein Traum ist, weiß ich -, dass ich in einem Traum
sein muss, weil sie in Wirklichkeit tot ist. Ich erwache glücklich, weil
ich diese Illusion hatte, aber zugleich erschüttert, weil die Wahrheit der
Illusion ein Ende gemacht hat; darum versuche ich nie, noch einmal in
diesen Traum zurückzugehen.
