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bahnbrücke zufuhr, immer wieder verbissen vor mich hin: »Da macht
einfach das Universum seine Arbeit.« Das sagte ich, um mich nicht
von eitlen Hofnungen und sinnlosen Ablenkungsmanövern irreleiten zu
lassen.
Ich erzählte einem der wenigen Christen in meinem Bekanntenkreis
von ihrer schweren Krankheit. Er antwortete, er werde für sie beten.
Ich erhob keine Einwände, doch schon nach erschreckend kurzer Zeit
hörte ich mich, nicht ohne Bitterkeit, zu ihm sagen, sein Gott habe of-
fenbar nicht viel bewirkt. Er erwiderte: »Hast du je die Möglichkeit
in Betracht gezogen, dass sie noch mehr hätte leiden können?« Aha,
dachte ich, das ist also das Beste, was dein bleicher Galiläer und sein
Daddy zustande bringen.
Und inzwischen war diese Brücke, unter der ich hindurchfuhr, für mich
mehr geworden als nur eine Brücke. Sie war gebaut worden, um den
Eurostar zu seiner neuen Londoner Endstation in St. Pancras zu brin-
gen. Das war für uns bequemer zu erreichen als der frühere Bahnhof
Waterloo, und ich hatte mir oft ausgemalt, dass wir zusammen mit
diesem Zug fahren würden, nach Paris, Brüssel und noch weiter. Doch
irgendwie war es nie dazu gekommen und würde jetzt auch nie mehr
dazu kommen. Und so stand diese harmlose Brücke jetzt für einen Teil
unserer verlorenen Zukunft, für alle geraden und ungeraden Wege und
Umwege des Lebens, die wir nun nie zusammen gehen würden; aber
auch für alles, was in der Vergangenheit ungetan geblieben war - für
nicht gehaltene Versprechen, für Achtlosigkeit und Unfreundlichkeit,
für alles Unerreichte und Unerfüllte. Ich lernte diese Brücke hassen
und fürchten, bin aber nie eine andere Strecke gefahren.
Im Jahr darauf sah ich wieder eine Auführung von
Orpheus
, diesmal
live und in modernen Kostümen. Am Anfang wurde, was ungewöhnlich
ist, der Tod der Eurydike dargestellt. Wir sind auf einer Cocktailparty,
alle amüsieren sich, wir reimen uns zusammen, dass der Gegenstand
allgemeiner Bewunderung im roten Kleid Eurydike sein muss. Plötzlich
