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ann von der Art, bei dem Seitensprünge in friedlicher Koexistenz mit
treuer Gattenliebe einhergehen.
Er war Journalist, Karikaturist, Fotograf, Ballonfahrer, Unternehmer
und Erinder, meldete eifrig Patente an und gründete mit Begeisterung
Firmen, warb unermüdlich für sich selbst und verfasste im hohen Alter
ausführliche und unzuverlässige Memoiren. Als fortschrittlicher Mann
hasste er Napoleon III. und schmollte in seiner Kutsche, als der Kaiser
eintraf, um sich den Ablug von Le Géant anzusehen. Als Fotograf
lehnte er vornehme Kundschaft ab und hielt lieber die Kreise im Bild
fest, in denen er sich selbst bewegte; naturgemäß fotograierte er
mehrmals Sarah Bernhardt. Er war aktives Mitglied des ersten französ-
ischen Tierschutzverbands. Er furzte Polizisten an und war gegen die
Gefängnisstrafe (er selbst hatte einmal wegen Schulden eingesessen) -
seiner Meinung nach hatte das Gericht nicht zu fragen: »Ist er
schuldig?«, sondern: »Ist er gefährlich?« Er gab rauschende Feste und
lud alle Welt an seinen Tisch; er stellte sein Atelier am Boulevard des
Capucines für die erste impressionistische Ausstellung von 1874 zur
Verfügung. Er hatte vor, eine neue Art von Schießpulver zu erinden.
Außerdem träumte er von einer Art sprechendem Bild, das er »eine ak-
ustische Daguerreotypie« nannte. Er konnte überhaupt nicht mit Geld
umgehen.
Er war nicht unter dem bodenständigen Lyoner Namen Tournachon
bekannt. In den Boheme-Kreisen seiner Jugend wurden Freunde oft
liebevoll umgetauft - zum Beispiel, indem man die Silbe - dar in ihren
Namen einfügte oder daran anhängte. So wurde er erst zu Tournadar
und dann einfach zu Nadar. Als Nadar schrieb, karikierte und foto-
graierte er; als Nadar wurde er in den Jahren zwischen 1855 und 1870
der hervorragendste Porträtfotograf, den es bis dahin gegeben hatte.
Und unter diesem Namen brachte er im Herbst 1858 dann zwei Dinge
zusammen, die vorher nicht zusammengebracht worden waren.
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