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schaten, die sich ständig trefen, aber nie mischen, und die hierarchisch angeord-
net sind. Hierarchie und Trennung bieten soziale Orientierung und sozialen
Rückhalt, sie sorgen für Gemeinschatsgefühl innerhalb der Stadt der unend-
lichen Optionen, bieten in der Gruppe Heimatgefühl - und sie werden umso
hinderlicher, je weiter unten jemand im Klassensystem steht. Nach unten ist das
Klassensystem ofen, nach oben dagegen nicht, denn ganz oben stehen natürlich
die einheimischen arabischen Emiratis und darunter die Locals. Diese haben kein
Interesse, dass Einwanderer in ihre Kreise aufsteigen, was ein weiterer Grund ist,
warum Integration nicht erwünscht ist. Jeder soll sein Geld verdienen, aber jeder
soll in seiner Klasse bleiben und am besten irgendwann wieder nach Hause ge-
hen. Diese Abschotung der Emiratis, auch die Ächtung von internationalen oder
gar interkulturellen Ehen in ihrer Gesellschat, ist ein Schutzmechanismus. Nur
so können die Emiratis als Minderheit im eigenen Land weiterhin das Sagen
haben. Für eine Minderheit an der Spitze der sozialen Pyramide ist Abgrenzung,
nicht Integration, gelebter Minderheitenschutz. Ginge es nach dem Mehrheits-
prinzip der Bewohner der Emirate, müssten sich alle an die indische Kultur (wie
auch immer man die Kultur dieses Vielvölkerstaates deinieren würde) anpassen,
denn in Dubai stammt mehr als die Hälte der Einwohner aus Indien.
Ganz oben im Expat-System stehen die Kaukasier. Das klingt rassistisch, ist
aber so. Und ja, Alltagsrassismus ist eine Orientierungshilfe in der unübersicht-
lichen Dubaier Gesellschat, bei aller Einwandererfreundlichkeit. Expats werden
nach Aussehen, Herkunt und Kleidung automatisch einer sozialen Schicht
zugeordnet. Deutsche, Briten, Franzosen, Niederländer, Amerikaner, weiße Süda-
frikaner, Russen - sie stehen in der Rangordnung der Expat-Hierarchie ebenfalls
ganz oben. Man vermutet sie automatisch in Führungspositionen internationaler
Unternehmen oder der Reisebranche, geht davon aus, dass sie sehr gut bezahlt
werden, in einem Haus wohnen und mit ihrer Familie an den Golf gekommen
sind. Handelt es sich dagegen um junge, gut aussehende kaukasische Frauen, ge-
ht man davon aus, dass sie »Airline Crew«, single und auf der Suche nach einem
reichen Ehemann sind. Ein Kaukasier als Putzhilfe in Dubai scheint unvorstellbar,
und wenn ein Weißer als Koch arbeitet, so dann doch mindestens als Sternekoch.
Dass Weiße in kleinen Einzimmerapartments wohnen und sich nur so durchsch-
lagen, ist möglich und kommt vor, ist allerdings nicht im kollektiven Bewusstsein
verankert.
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