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Apropos Kastanienmehl. »Solange wir Kastanien haben, werden wir Brot
haben«, beruhigte der Freiheitskämpfer Pasquale Paoli seine Mitstreiter, als die
Vorräte mal wieder knapp wurden und eine Hungersnot drohte. Tatsächlich war-
en Kastanien jahrhundertelang das Hauptnahrungsmitel der Korsen, die Insel
war voller Esskastanienwälder, jede Familie besaß einige Bäume für den eigenen
Gebrauch. Die »Seeigel der Erde«, wie die Baumfrüchte wegen ihrer stacheligen
Hülle genannt wurden, wurden getrocknet und in allen möglichen Variationen
gegessen, sie dienten aber auch zum Feuermachen und als Tauschmitel, um dam-
it andere Güter zu bezahlen. Die Bauern und Jäger steckten sich im Ofen gegarte
Kastanien in die Tasche und aßen sie zwischendurch als Brotzeit. Kastanienmehl
wurde zu Pisticcine (Brot), Pulenda (Polenta-Brei), Nicci (süßen Pfannkuchen) und
allen möglichen anderen Speisen verarbeitet. In der Region von Alesani war es
üblich, zum Hochzeitsmahl 22 verschiedene Gerichte aus Kastanienmehl
aufzutischen. Dennoch galten Esskastanien als Nahrungsmitel der Armen - im
Gegensatz zu Hartweizennudeln, die die genuesischen Besatzer aus Italien mit
auf die Insel gebracht haten. Sie kamen nur zu besonderen Anlässen und als
Zeichen des Wohlstandes auf den Tisch. Es gab (und gibt) sie in vielen Formen,
als Spagheti, Tagliatelle, als Lasagne oder Ravioli mit Fleischfüllung, als Canel-
loni mit Brocciu (Ziegenfrischkäse) gefüllt. Besonders hübsch ist der Name eines
Nudelgerichtes, das mit Brocciu und Tomatensauce serviert wird: Strozzapreti à la
Bastiaise . Die »Pfafenwürger« nach Bastieser Art gibt es in ähnlichen Variation-
en auch in Italien, der Name kommt der Legende nach daher, dass der Dorf-
priester jeden Tag bei einer anderen Familie des Dorfes zu speisen plegte und
dort eine beeindruckende Verfressenheit an den Tag legte. Er schlang das ihm
vorgesetzte Mahl so schnell hinunter, dass ihm öter mal ein Bissen im Hals
stecken blieb.
Ironischerweise indet man heute nur noch selten Gerichte oder Backwaren
aus Kastanienmehl. Und wenn, dann sind sie garantiert teure Luxusprodukte. Ich
nehme aber an, dass sich das bald ändern wird. Denn Esskastanien gehören zu
Korsika wie die Wildschweine (die die braunen Früchte übrigens in Massen ver-
tilgen, wenn sie durch die Wälder streifen), es wäre eine Sünde, dieses schmack-
hate kulinarische Erbe nicht wieder zum Leben zu erwecken.
Wie ich schon erzählt habe, sitzen die Korsen lieber in einem schatigen Café,
als im Meer zu baden oder es mit Schifen zu befahren. Gibt es allerdings frische
Meeresfrüchte, lassen sich sogar die alten Männer an den Strand locken. Vor
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