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man sich eigentlich um andere Dinge kümmern müsste. Zur Mitagszeit füllen
sich die Restaurants schlagartig. Wer in seinem gemütlichen Ferienschlendrian
erst nachmitags auf die Idee kommt, jetzt gerne eine gegrillte Dorade essen zu
wollen, hat Pech. Dann sind die Restaurants geschlossen, zumindest die, die
diesen Namen verdienen.
Anders als in Frankreich werden einem auf Korsika bisher kaum exaltierte
Spielereien der Spitzenküche wie »Sinfonie aus Schweinekinn und Kalbszunge an
Rebhuhn-reduktion auf karamellisierter Trüfel-Surprise« angeboten. Langsam
ändert sich dies aber. Vor allem in den Touristenzentren gibt es immer mehr Res-
taurants, die modern gestylt sind und auch am Herd Ambitionen haben. Allerd-
ings erschöpt sich dieser Ehrgeiz ot noch darin, dass man riesige, asymmetrisch
geformte Teller mit winzigen Suppenpfützen vorgesetzt bekommt oder zum
Fleisch angetrocknete Saucenpunkte von schwarzen Schieferbretchen kratzen
muss. Zu gesalzenen Preisen, versteht sich - was gut aussieht, ist teuer. Allerd-
ings soll nicht verschwiegen werden, dass der französische Guide Michelin , die
internationale Feinschmeckerbibel, 2012 ein korsisches Restaurant mit zwei
Sternen ausgezeichnet hat: das Casadelmar in Porto-Vecchio.
Ich persönlich inde eine andere Entwicklung viel interessanter. Dabei geht es
weniger um die Verpackung, sondern um den Inhalt. Überall auf der Insel lassen
Korsen alte Küchentraditionen wieder auleben und besinnen sich ihrer tradition-
ellen Produkte. Das Zauberwort der Stunde lautet terroir . Wörtlich übersetzt,
heißt das einfach nur »Gegend«, gemeint sind aber regionale kulinarische
Erzeugnisse. Jungunternehmer nutzen die Kräuter der Macchia, um daraus Liköre
und Schnäpse zu machen, ein Gemeinschatsprojekt restauriert verfallene Berger-
ien, die nun wieder als Käsereien dienen. Auf den Märkten, in Spezial-
itätengeschäten und -restaurants werden selbst gemachte Tomaten- und Cédrat-
Konitüre (Cédrat ist eine Zitrusfrucht mit einer besonders dicken Schale), allerlei
Tee- und Kräutermischungen, wildaromatischer Macchia-Honig, Süßigkeiten
sowie Terrinen, Pâté de merle (Amselpastete) und hausgemachte Figatelli (Würst-
chen aus fein geschnitener Schweineleber, die in Wein eingelegt wurde), Coppa
(gerollte, geräucherte Schweinschulter), Lonzu (in Salz eingelegtes Schweineilet),
Prisutu (lutgetrockneter Schinken) und andere Köstlichkeiten angeboten. Stat
immer nur die ewig gleichen Baguetes und Croissants herzustellen (obwohl auch
das eine Kunst ist), experimentieren Bäckermeister mit Vollkorn- und Kastanien-
mehl.
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