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Wer Glück hat, der indet sanglier im Restaurant nicht nur als Ragout (das auch
sehr gut sein kann), sondern auch als Terrine oder in Rotwein mariniert und im
Ofen gegart. Nur als Ganzes wurde es mir noch nie serviert…
In Frankreich ist gutes Essen Staatsziel. Es wird, so wie die Mode, mit Staatsgeld-
ern gefördert. In einer kleinen Buchhandlung in Ajaccio stieß ich zufällig auf ein
sehr interessantes und detailreiches Buch über die korsische Küche mit dem Titel
»Corse. Produits du terroir et recetes traditionelles«. Es wird von einem gewis-
sen, mir bis dato unbekannten »Nationalen Staatsrat für Kochkünste« heraus-
gegeben und versammelt mit wissenschatlicher Akribie alle Produkte, die tradi-
tionell auf der Insel hergestellt werden.
Dieser Conseil National des Arts Culinaires (abgekürzt heißt er CNAC), dem
fünf Staatsminister, diverse Sterneköche, Firmenchefs und andere »qualiizierte
Personen« angehören, hat es sich zur Aufgabe gemacht, »eine Geschmackspolitik
zu deinieren und zu verbreiten, die das heimatliche kulinarische Erbe« hochhält.
Unter anderem bedeutet das, dass man sich gegen weitere unzumutbare Angrife
aus Brüssel rüstet. Falls Sie kein Foodie sind: Vor einer Weile kam es in
Frankreich quasi zum Bürgeraufstand, weil EU-Funktionäre damit gedroht hat-
ten, den heiß geliebten Rohmilchkäse zu verbieten, da er nicht den Hygiene- und
sonstigen Vorschriten entspricht. Aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen:
Nicht nur auf dem Festland, auch auf Korsika käme so ein Verbot einer Kata-
strophe gleich. Denn Rohmilchkäse ist eine echte Delikatesse - und auf Korsika
mitunter eine besondere geschmackliche Herausforderung. Aber dazu später
mehr.
Vermutlich würden nicht einmal die glühendsten korsischen Patrioten leugnen,
dass ihre Insel, was die Esskultur angeht, von Frankreich proitiert. In früheren
Jahrhunderten gaben sich die Korsen vielleicht noch mit einem kargen Mahl zu-
frieden, von den Franzosen haben sie gelernt, dass Essen nicht einfach nur
Ernährung, sondern Ausdruck von Genuss und Lebensfreude sein kann. »Hast du
schon gegessen?« ist deshalb ot die erste Frage, wenn sich zwei Freunde trefen.
Man nimmt sich Zeit für ein ausgiebiges Mahl - ich erwähnte es schon, im Res-
taurant nur ein Süppchen oder eine andere Kleinigkeit zu bestellen gehört sich
einfach nicht. Die Essenszeiten sind Franzosen wie Korsen heilig, es wird immer
und unter allen Umständen zu Mitag und zu Abend gegessen, egal, ob Ferien
sind und man spät gefrühstückt hat oder ob der Weltuntergang bevorsteht und
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